07. Jänner 2012 | 19:10 Uhr
Tausende in Schnee-Hölle gefangen
,Ich überlebte Lawinen-Abgang‘
67 Jugendliche mit Helikopter von Berg gerettet
Schneemassen ohne Ende, Lawinen-Warnstufe 4, eingeschneite Urlauber: Die Schnee-Situation im Westen, allen voran im Tiroler Paznauntal und in den Ski-Hochburgen am Arlberg, ist weiter kritisch. Einsatz- und Krisenstäbe sowie das Bundesheer sind in Alarmbereitschaft, der Bahnverkehr nach Vorarlberg bleibt bis Sonntag eingestellt.
Extreme Lawinengefahr. Nach heftigen Schneefällen und zahlreichen Lawinen-Abgängen entspannte sich die Lage Samstag nur kurz. Die Zeit reichte aber, um von Landeck aus Experten der Lawinenzentrale mit Heeres-Hubschraubern auf Erkundungsflüge über die betroffenen Gebiete zu schicken. Sie sahen extreme Schneeverfrachtungen. Zwei Tage eingeschneit. Wie kritisch es ist, zeigen diese Beispiele: Im Montafon mussten 67 Tourengeher mit einem Hubschrauber von der Lindauer Hütte ausgeflogen werden. Hüttenchef Thomas Beck: „Die Gruppe saß wegen der Schneemassen zwei Tage lang fest, die Rettung dauerte eine Stunde lang.“ In der Axamer Lizum riss ein Schneebrett drei Studenten 1.000 Meter mit. Sie blieben unverletzt, ein Hubschrauber brachte sie in Sicherheit. In Osttirol überlebte ein Jugendlicher eine Lawine nur knapp. Er wurde von Rettern unterkühlt ausgegraben. Zwar waren die abgeschnittenen Skiorte Stuben, Zürs, Lech und Galtür Samstag wieder erreichbar. Aber: Bis zu 30.000 Urlauber saßen fest. Ein gutes Gespür hatte Kanzler Werner Faymann, der vor dem Chaos aus Lech abreiste.
,Ich überlebte Lawinen-Abgang‘: Der Ski-Urlauber Romke Loopik wurde in seinem Auto von einer Lawine erfasst. Er erzählt, wie er sich selbst retten konnte.
Kappl. Das Unglück passierte Freitag, kurz nach 16 Uhr: Ein heftiges Schneebrett donnerte auf die Silvretta-Bundesstraße, riss einen Schneepflug, ein Taxi und das Auto von Ski-Urlauber Romke Loopik aus Holland mit. Sein Pkw wird meterweit mitgezogen, doch Loopik hatte Glück: Er konnte sich selbst aus dem Auto befreien. „Alles ging so schnell, das war wirklich wild“, sagt der Urlauber, der unverletzt aus dem verschneiten Auto klettert. Minuten später wird die Straße endgültig gesperrt.
Es schneit weiter. In Galtür, wo Freitag Lawinen niedergingen, sagt Bürgermeister Anton Mattle: „Alle Urlauber sind über die Gefahr informiert. Helfer stehen in Bereitschaft.“
Trotz der Schneemassen strömten Samstag Tausende in die verschneiten Skigebiete. Am Abend spitzte sich die Lage wieder zu – Experten sagen bis Dienstag 80 Zentimeter voraus.
Bundesheer ist in Alarmbereitschaft: Das Bundesheer hat einen Krisenstab eingerichtet. Soldaten sind in Alarmbereitschaft.
Landeck. Dichter Schneefall und Erinnerungen an 1999: Wie bei der Lawinen-Katastrophe in Galtür vor 13 Jahren hat das Bundesheer einen Krisen- und Einsatzstab in der Pontlatz-Kaserne eingerichtet, dort Dutzende Soldaten und 5 Hubschrauber (3 Black Hawk, 1 Alouette, 1 Agusta Bell 212) stationiert. Zudem sind weitere Hubschrauber in Bereitschaft. Flug-Einsatzleiter Oberstleutnant Hansjörg Haberlik: „Kurz gab es am Samstag gutes Wetter für Erkundungen. Falls das Wetter hält, können wir weitere Flüge unternehmen.“ Bundesheer-Oberst Raimund Lammer: „Es geht darum, die Infrastruktur zu erhalten und Rettungsteams, Ärzte und Lawinenexperten zu transportieren.“
Fußgängerin (26) verschüttet: Eine Tirolerin wird am Parkplatz von der Lawine erwischt. Sie überlebt.
Galtür. „Sie war sicher 25 Minuten lang verschüttet, einen Meter unter der Erde. Als wir sie fanden, war sie nicht ansprechbar“, sagt Bergretter Christian Walter zu ÖSTERREICH. Freitag, auf einem Parkplatz im Ortsteil Wirl (Galtür): Eine Kellnerin (26) aus dem Ort ist zu Fuß unterwegs, als sie unter einer Lawine begraben wird. Die Bergrettung rückt mit 80 Mann aus, die sie mit Lawinensonden finden. Arzt Friedrich Treidl zu ÖSTERREICH: „Sie war stark unterkühlt, blieb über Nacht in ärztlicher Kontrolle. Es geht ihr besser.“
ÖSV-Trainer stirbt auf Piste: Der erfahrene und gute Skiläufer kam in dichtem Schneetreiben von der Piste ab und stürzte kopfüber in eine hohe Schneewechte.
Salzburg. Beim ersten tödlichen Skiunfall auf Salzburgs Pisten am Dreikönigstag kam ausgerechnet ein D-Trainer des ÖSV ums Leben. Der 41-jährige kaufmännische Angestellte Martin P. war mit einer Gruppe aus 50 Personen der Ski Union West Wien in Maria Alm (Pinzgau).
Nach dem Gruppentraining nützte der Wiener gemeinsam mit einem Kollegen die Zeit bis zum Zusperren der Lifte für einige Neuschnee-Abfahrten. Laut Polizei herrschten zu dieser Zeit Schneetreiben und orkanartiger Sturm.
Kopf voraus. „Sein Kollege hielt auf der Piste an, weil er selbst die Hand vor den Augen nicht mehr sah“, schildert ein Beamter. Doch P. fuhr weiter und kam von der Piste ab. Dabei hebelte es ihn aus der Bindung, und er stürzte mit dem Kopf voran in eine dicht gepresste Schneeverwehung. Nur noch die Skischuhe ragten heraus.
Sein Freund und drei Skifahrer gruben den Trainer aus. Doch für ihn kam jede Hilfe zu spät.