29. August 2019 | 13:19 Uhr

Erderwärmung

Weltklimarat warnt vor 280 Millionen Klima-Flüchtlingen

Zahlreiche Großstädte sind jedes Jahr durch Extrem-Ereignisse gefährdet.

Der Weltklimarat IPCC rechnet bei einer Erderwärmung von höchstens zwei Grad Celsius mit 280 Millionen Flüchtlingen wegen steigender Meeresspiegel. Das geht aus einem Entwurf eines Sonderberichts, der im September veröffentlicht werden soll, über die Ozeane und die weltweiten Eisvorkommen hervor.
 
Demnach würden niedrig liegende Millionenstädte und Inselstaaten bis zum Jahr 2050 selbst bei optimistischen C02-Schätzungen jedes Jahr "extreme Meeresspiegel-Ereignisse" wie Wirbelstürme und Überschwemmungen erleben. Neben den USA sind vor allem Küstenmetropolen in China und Indien von regelmäßigen Überschwemmungen durch die nach Expertenmeinung dann jährlich auftretende Wirbelstürme bedroht. Selbst wenn die Zahl der durch den Meeresspiegel-Anstieg Vertriebenen bis 2100 "bei 100 Millionen oder 50 Millionen liegt, ist das noch immer eine bedeutende Störung und viel menschliches Leid", sagte der Geschäftsführer der US-Organisation Climate Central, Ben Strauss.
 

Meeresspiegel könnte um einen Meter steigen

In dem IPCC-Berichtsentwurf, der der Nachrichtenagentur AFP vorlag, heißt es, bis zum Jahr 2100 könne der Meeresspiegel um bis zu einen Meter steigen, wenn nichts gegen den CO2-Ausstoß unternommen werde. Die jährlichen Schäden durch Überschwemmungen würden im gleichen Zeitraum Schätzungen zufolge um bis zu ein Tausendfaches steigen.
 
Ursache für den Anstieg der Meeresspiegel ist die mit der Erderwärmung einhergehende Eisschmelze. In dem Berichtsentwurf zur Kryosphäre, also Wasser in gefrorenem Zustand wie in Gletschern, Eis oder Schnee, heißt es, mindestens 30 Prozent des dauerhaft gefrorenen Bodens, der sogenannten Permafrost-Böden, könnte bis 2100 verschwinden, wenn die derzeitige Klimaerwärmung anhalte.
 
Der Sonderbericht soll offiziell am 25. September in Monaco vorgelegt werden.
 
 

Temperaturplus über Land mehr als 1,5 Grad 

Der weltweite Temperaturanstieg hat über den Landflächen bereits 1,53 Grad Celsius erreicht. Das geht aus dem Sonderbericht des Weltklimarats IPCC hervor. Unter Berücksichtigung der sich langsamer erwärmenden Meeresflächen liege das globale Temperaturplus gegenüber der vorindustriellen Zeit bei knapp 0,87 Grad.
 
Verglichen wurden die Zeiträume 1850 bis 1900 und 2006 bis 2015. Der Weltklimarat hatte 2018 vor den Auswirkungen gewarnt, falls die globale Temperatur insgesamt über 1,5 Grad steigen sollte. In den kommenden Jahrzehnten werde die Zahl, Dauer und Intensität von Hitzewellen sowie Dürren nicht zuletzt rund um das Mittelmeer zunehmen, warnen die 107 Forscher aus 53 Ländern. In vielen Regionen werden zudem häufiger extreme Regenfälle vorkommen.
 
Der Weltklimarat empfiehlt in seinem Bericht dringend, im Kampf gegen eine weitere Erwärmung der Erde die Wälder und nicht zuletzt die Moore besser zu schützen. Zugleich sieht der IPCC Gefahren für die sichere Versorgung mit Lebensmitteln. "Die Stabilität des Nahrungsmittel-Angebots wird voraussichtlich sinken, da das Ausmaß und die Häufigkeit von Extremwetter-Ereignissen, welche die Lebensmittelproduktion beeinträchtigen, steigen wird." Es gehe auch darum, die gesamte Kette der Erzeugung und des Konsums von Nahrungsmitteln zu überdenken. Eine ausgewogene Ernährung, die verstärkt auf Gemüse und Getreide setze, könne dazu beitragen, die Kohlendioxid-Emissionen wesentlich zu senken.
 
Die Land- und Forstwirtschaft steuert laut IPCC rund 23 Prozent der vom Menschen verursachten Treibhausgase bei. "Hier liegt sehr viel Potenzial", sagte die deutsche Co-Autorin des Berichts, Almut Arneth aus Karlsruhe. Generell mache der Bericht deutlich, dass die Ressource Land begrenzt sei. "Wir können nicht weitermachen wie bisher." Sehr skeptisch sei sie, dass die im Bericht auch thematisierten Aufforstungen bis hin zu Bioenergie-Plantagen ein guter Weg seien. Laut IPCC leben rund 500 Millionen Menschen in Gebieten, die von Versteppung bedroht sind. Diese Regionen seien umso anfälliger für Wetterextreme wie Dürren, Hitzewellen und Staubstürme.
 

Pariser Abkommen

Der Bericht steht im Zeichen des Pariser Klimaabkommens. Darin wurde 2015 das Ziel festgelegt, die Erderwärmung auf deutlich unter zwei Grad, wenn möglich sogar auf 1,5 Grad, im Vergleich zur vorindustriellen Zeit zu begrenzen. Dazu müssten die Staaten den Netto-Ausstoß ihrer Treibhausgase stark reduzieren. Um das zu schaffen, wollen einige Experten große Flächen für Wälder nutzen, welche die Treibhausgase aus der Atmosphäre binden können. In Verbindung mit dem Ziel der Lebensmittelsicherheit für die gesamte Bevölkerung drohen so Landkonflikte - zusätzlich zu den Entwicklungen, die der Klimawandel bereits jetzt ausgelöst hat.
 
Die Forscher hatten zunächst eine große wissenschaftliche Analyse erarbeitet, deren Zusammenfassung in Genf seit vergangenem Freitag intensiv beraten wurde. Die vor allem politischen Delegierten einigten sich dabei auf den nun veröffentlichten Bericht, der somit auch von den IPCC-Mitgliedsländern anerkannt ist. Die Dringlichkeit des Thema verdeutlichte zu Wochenbeginn nicht zuletzt die Mitteilung des Klimawandelsdienstes Copernicus, dass der Juli 2019 global gesehen der heißeste Monat seit Beginn der Aufzeichnungen im Jahr 1880 war.