07. April 2016 | 07:59 Uhr

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Stern-Explosion

Supernova-Spuren in der Tiefsee entdeckt

Wiener Physiker wiesen in Bohrkernen Spuren von Stern-Explosionen nach.

Massereiche Sterne enden in einer gewaltigen Explosion (Supernova). Dabei werden schwere chemische Elemente gebildet und ins All geschleudert. Wiener Forscher haben nun in Bohrproben aus der Tiefsee Spuren von mehreren Supernovae in Erdnähe nachgewiesen, berichten sie im Fachjournal "Nature". Dort beschreiben deutsche Forscher zudem, wann und wo Sterne in jüngster Vergangenheit explodiert sind.

Ende eines Sterns
Eine Supernova ist das dramatische Ende eines massereichen Sterns. Für das Universum haben diese kosmischen Katastrophen eine enorme Bedeutung, sind sie doch die wichtigste "Fabrik" für schwere chemische Elemente wie Gold oder Platin. Ereignet sich eine solche Explosion in der Nähe des Sonnensystems, werden ihre Spuren von der Erde eingefangen und lagern sich über Jahrmillionen am Meeresgrund ab.

Auch langlebige radioaktive Atome werden in Supernovae gebildet, etwa das Isotop Eisen-60 (Fe-60). Da es auf der Erde nicht natürlich vorkommt, ist sein Nachweis in Bohrproben aus der Tiefsee ein klarer Nachweis für eine Supernova in Erdnähe. Bereits 2004 hatten Wiener Astronomen anhand der Analyse von Fe-60 in Mangankrusten aus der Tiefsee eine Supernova vor rund 2,8 Mio. Jahren nachgewiesen.

Proben aus Pazifik, Südatlantik und Indischem Ozean
Nun haben Physiker der Universität Wien gemeinsam mit Kollegen aus Australien, Deutschland, Israel und Japan Proben aus dem Pazifik, dem Südatlantik und dem Indischen Ozean untersucht, konkret Sedimente, Manganknollen und Mangankrusten. Diese Ablagerungen entstehen, indem sich Material über Jahrmillionen Schicht für Schicht absetzt. Sie können damit als geologisches Archiv genutzt werden.

Mithilfe der natürlich auf der Erde vorkommenden Radioisotope Beryllium-10 (Be-10) und Aluminium-26 (Al-26) konnten die Forscher das Alter der Schichten sehr genau bestimmen. "Al-26 wurde dabei erstmals zur Datierung verwendet. Das ist zwar messtechnisch viel aufwendiger, aber dafür ist die Datierungsunsicherheit damit sehr viel geringer als mit Be-10", erklärten Robin Golser und Peter Steier von der Arbeitsgruppe Isotopenforschung und Kernphysik an der Physik-Fakultät der Universität Wien gegenüber der APA. Für die Messungen nutzten sie das Beschleunigermassenspektrometer VERA (Vienna Environmental Research Accelerator).

Auf gleiche Weise wurde der Gehalt von Eisen-60 in den Schichten gemessen. Das extraterrestrische Fe-60 fand sich in 1,7 bis 3,2 Mio. Euro alten Ablagerungen ebenso wie in 6,5 bis 8,7 Mio. Jahre alten Schichten.

"Zwei bis drei derartige Ereignisse"
Vor allem in den 1,7 bis 3,2 Mio. Jahre alten Schichten haben die Wissenschafter eine sehr gute Zeitauflösung. Dabei sei das Signal von Fe-60 viel zu breit, "um es einer einzigen Supernova zuordnen zu können - in dieser Zeit müssen sich zwei bis drei derartige Ereignisse zugetragen haben", so Golser.

Die Daten für die Periode vor 6,5 bis 8,7 Mio. Jahre wurden nur aus Manganknollen gewonnen, die keine so hohe zeitliche Auflösung lieferte wie die jüngeren Sedimentschichten. "Es ist aber noch so viel Fe-60 nachweisbar, dass man sagen kann, dass auch damals mehrere Sternenexplosionen stattgefunden haben müssen", betonen die Wissenschafter.

Der Erstautor der Studie, der österreichische Physiker Anton Wallner, hat die Arbeit an der Universität Wien begonnen und ist seit 2011 an der Australian National University in Canberra tätig. Er schätzt, dass sich die Supernovae in einer Entfernung von bis zu rund 300 Lichtjahren ereignet haben. Sie müssten damit so hell wie der Mond gewesen und bei Tag sichtbar gewesen sein. Sie hätten wohl zu einer erhöhten Intensität von kosmischer Strahlung auf der Erde geführt, aber keine direkten Auswirkungen auf das organische Leben gehabt.

"Lokale Blase" im Fokus
Dieter Breitschwerdt vom Zentrum für Astronomie und Astrophysik der Technischen Universität Berlin hat in einer weiteren Arbeit durch Fe-60-Analysen sowie aus Modellrechnungen herausgefunden, wann und wo Sterne in der Nähe des Sonnensystems explodiert sind. Breitschwerdt und sein Team - darunter Jenny Feige, die an der Uni Wien dissertiert hat und auch an Wallners Arbeit beteiligt war - beschäftigen sich mit der Entstehung der sogenannten "Lokalen Blase". Dies ist eine mit heißem Gas gefüllte Region mit einer Ausdehnung von rund 600 mal 600 mal 1.200 Lichtjahren, in der sich auch unser Sonnensystem befindet.

Die Forscher konnten in ihrer Arbeit zeigen, dass in den vergangenen 15 Mio. Jahren etwa 16 Supernovae die "Lokale Blase" erzeugt haben. Sie sind auch für das in den Tiefseeproben gefundene Fe-60 verantwortlich. Den Simulationen der Berliner Astronomen zufolge stammt etwa die Hälfte des gemessenen Fe-60 von zwei Supernovae, die vor 2,3 bzw. 1.5 Mio. Jahren in den heutigen Sternbildern Wolf bzw. Waage explodiert sind. So wie Wallner kommt auch Breitschwerdt zum Schluss, dass die beiden Supernovae in 270 bis 300 Lichtjahre Entfernung stattgefunden haben. Die andere Hälfte stammt von den restlichen 14 Stern-Explosionen, die sich in größerer Entfernung ereignet haben.