18. Juni 2015 | 12:42 Uhr

pope70.jpg © Getty Images

Umweltenzyklika

So will der Papst die Umwelt retten

Franziskus ruft die Welt zu fundamentalem Umdenken auf.

Die mit Spannung erwartete Umweltenzyklika von Papst Franziskus ist am Donnerstag veröffentlicht worden. In der zweiten Enzyklika seines Pontifikats ruft der Papst die Menschheit zu einer "ökologischen Bekehrung auf". Die Enzyklika erscheint unter dem Titel "Laudato sii" (Gelobt seist du) nach dem "Sonnengesang" des Heiligen Franz von Assisi, nach dem sich der Pontifex benannt hat.

Mit den herrschenden Maximen eines rein technologischen Fortschrittsglaubens, gepaart mit einem rein auf Gewinn ausgelegten Wirtschaftssystem und Moralvorstellungen, wonach sich jeder selbst der Nächste sei, fährt die Menschheit die Welt und sich selbst an die Wand, so zusammenfassend die Warnung des Papstes. Er ruft die Weltgemeinschaft zu einem fundamentalen Umdenken und jeden Einzelnen zu einem umweltbewussten und nachhaltigen Lebensstil auf.

Emmisionszerifikate keine Lösung 
Eindeutig spricht sich der Papst auch für starke internationale Institutionen mit Sanktionsmöglichkeiten aus, um die Reduzierung der Umweltverschmutzung bei gleichzeitiger Bekämpfung von Armut in Angriff nehmen zu können. Dass es ein fundamentales Umdenken braucht, verdeutlicht der Papst außerdem mit seiner Kritik am weltweiten Handel mit Emissionszertifikaten. Dieses System bringe keine Lösung mit sich, sondern verbleibe in einer Wirtschaftslogik, die gerade mit Schuld trage am Klimawandel.

Franziskus spricht von einer einzigen, umfassenden sozio-ökologischen Krise: Umweltschutz, Armutsbekämpfung und der Einsatz für Menschenwürde gehörten untrennbar zusammen. Ein wirklich ökologischer Lösungsansatz sei deshalb immer auch ein sozialer Ansatz, "der die Gerechtigkeit in die Umweltdiskussionen aufnehmen muss, um die Klage der Armen ebenso zu hören wie die Klage der Erde". Nicht zuletzt, weil von der Öko-Krise die Armen am schlimmsten betroffen seien. Die Lösung kann deshalb für den Papst nur in einer "ganzheitlichen Ökologie" oder "Human-Ökologie" liegen. Das bedeutet aber etwa auch: Wer für die Bewahrung der Natur eintritt, könne deshalb nicht zugleich für Abtreibung oder Experimente mit lebenden menschlichen Embryonen sein.

"Unermessliche Mülldeponie"

Franziskus behandelt in sechs Kapiteln auf rund 220 Seiten viele einzelne Aspekte der ökologischen und sozialen Krise, etwa, wenn es um Umweltverschmutzung, Klimawandel, die Wasserfrage oder die Verschlechterung der Lebensqualität und den sozialen Niedergang eines großen Teils der Weltbevölkerung geht. Wörtlich schreibt der Papst etwa: "Die Erde, unser Haus, scheint sich immer mehr in eine unermessliche Mülldeponie zu verwandeln."

"Zugang zu Trinkwasser ist Menschenrecht"
Der Klimawandel ist für Franziskus ein wissenschaftlich belegtes Faktum; der Wassermangel ein zentrales Thema, für das er deutliche Worte findet: "Der Zugang zu sicherem Trinkwasser ist ein grundlegendes, fundamentales und allgemeines Menschenrecht, weil es für das Überleben der Menschen ausschlaggebend und daher die Bedingung für die Ausübung der anderen Menschenrechte ist." Den Armen den Zugang zu Wasser vorzuenthalten heiße, "ihnen das Recht auf Leben zu verweigern, das in ihrer unveräußerlichen Würde verankert ist". Eine Lösung des Problems der Armut liege sicher nicht in der Begrenzung der Geburtenrate, sondern darin, dem "extremen und selektiven Konsumverhalten" eines kleinen Teils der Weltbevölkerung entgegenzuwirken, betont der Papst.

Der Pontifex sorgt sich auch um die Pflege der kulturellen Reichtümer der Menschheit und um die indigenen Völker. Auch die Sorge um diese Völker sei Teil einer ganzheitlichen Ökologie, wie auch die Verbesserung der Lebensqualitäten eines Großteils der Weltbevölkerung.

Papst Franziskus analysiert nicht nur ausführlich die Phänomene der ökologischen und sozialen Krise, er sucht vor allem auch nach den diesen Phänomen zugrunde liegenden menschlichen Ursachen. Er ortet diese vor allem in einem weltweit vorherrschenden "technokratischen Paradigma" und einer falschen Sicht der Stellung des Menschen ("fehlgeleiteter Anthropozentrismus") und seines Handelns in der Welt (Relativismus).

Der Papst spricht kritisch von der "Globalisierung des technokratischen Paradigmas". Dieses nehme die gesamte Realität als Objekt wahr, die man grenzenlos manipulieren kann. Von da aus gelange man leicht zur Idee eines unendlichen und grenzenlosen Wachstums. "Dieses Wachstum setzt aber die Lüge bezüglich der unbegrenzten Verfügbarkeit der Güter des Planeten voraus, die dazu führt, ihn bis zur Grenze und darüber hinaus auszupressen", schreibt der Papst. Der moderne "fehlgeleitete Anthropozentrismus" akzeptiere nicht die Natur als Norm, sondern er stelle die technische Vernunft über die Wirklichkeit, kritisiert der Papst.

Politik und Wirtschaft sollen sich in den Dienst des Lebens stellen
Der Politik kommt nach Ansicht des Papstes eine entscheidende Rolle zu: "Wir brauchen eine Politik, deren Denken einen weiten Horizont umfasst und die einem neuen, ganzheitlichen Ansatz zum Durchbruch verhilft, indem sie die verschiedenen Aspekte der Krise in einen interdisziplinären Dialog aufnimmt." Wenn die Politik nicht imstande ist, "eine perverse Logik zu durchbrechen" und wenn sie nicht über "armselige Reden" hinauskomme, so werde die Menschheit "weitermachen, ohne die großen Probleme der Menschheit in Angriff zu nehmen". Politik und Wirtschaft müssten sich beide "entschieden in den Dienst des Lebens" stellen, mahnt der Papst.