15. Juli 2021 | 12:34 Uhr
20 Hochwasser-Tote in Deutschland
"So eine Katastrophe haben wir noch nicht gesehen"
Nach Dauerregen im Westen Deutschlands sind fast 60 Menschen ums Leben gekommen.
Ganze Landstriche sind verwüstet, Häuser weggespült: Nach Unwettern im Westen Deutschlands sind fast 60 Menschen gestorben.
Lage weiterhin unübersichtlich
In Rheinland-Pfalz werden Dutzende Menschen vermisst. Politiker äußerten ihr Mitgefühl, dankten den Helfern und Einsatzkräften und machten sich auf den Weg ins Katastrophengebiet. Die Lage war nach dem Dauerregen vielerorts in Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen weiter unübersichtlich.
Verheerende Katastrophe
Retter und Retterinnen brachten Menschen in überschwemmten Orten zum Teil mit Booten in Sicherheit. Viele suchten auf Bäumen und Hausdächern Schutz vor den Fluten, Rettungshubschrauber waren im Einsatz. Es sei schwierig, die Vermissten zu erreichen, da das Mobilfunknetz zum Teil ausgefallen sei, sagte die Ministerpräsidentin von Rheinland-Pfalz, Malu Dreyer (SPD), am Donnerstag in Mainz. "So eine Katastrophe haben wir noch nicht gesehen. Es ist wirklich verheerend."
"So eine Katastrophe haben wir noch nicht gesehen. Es ist wirklich verheerend", sagte Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) in Mainz. Auch in Nordrhein-Westfalen bleibt die Lage angespannt. Nach dem Abklingen des Starkregens kämpfen Feuerwehr und andere Einsatzkräfte an vielen Orten mit einer sich verschärfenden Hochwasserlage. Mindestens 15 Menschen starben.
© APA/dpa/Roberto Pfeil
Lachet besuchte Region
NRW-Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) besuchte am Donnerstag Altena im Märkischen Kreis. Dort war am Mittwochnachmittag ein 46-jähriger Feuerwehrmann nach der Rettung eines Mannes aus einem überfluteten Stadtteil gestorben. Am Donnerstag war Altena noch immer von der Außenwelt abgeschnitten.
Der Unions-Kanzlerkandidat informierte sich in der Leitzentrale des Kreises beim Landrat und beim Kreisbrandmeister über die Lage, wie die Deutsche Presse-Agentur aus NRW-Regierungskreisen erfuhr. Anschließend fuhr er in die besonders von den Unwettern betroffene Stadt Hagen, um sich auch dort ein Bild an Ort und Stelle zu machen. Seine Reise durch Süddeutschland hatte Laschet abgebrochen und auch seine Teilnahme an der CSU-Klausur im bayerischen Seeon abgesagt.
Zahl der Toten steigt stetig
In Rheinland-Pfalz waren mehrere Orte in der Eifel besonders schwer von dem Hochwasser betroffen. Mindestens 28 Menschen kamen in dem Bundesland ums Leben. Am Abend musste die Zahl erneut nach oben korrigiert werden. "Wir gehen davon aus, dass wir neun weitere Tote bergen konnten durch die Feuerwehr, das ist jedenfalls die Meldung der technischen Einsatzleitung", sagte der rheinland-pfälzische Innenminister Roger Lewentz (SPD) am Donnerstagabend im SWR Fernsehen. Dabei habe es sich um Bewohner einer Behinderteneinrichtung in Sinzig gehandelt, sagte eine Sprecherin des rheinland-pfälzischen Innenministeriums. Die Fluten seien schneller gekommen, als die Menschen hätten in Sicherheit gebracht werden können. Mögliche weitere Opfer in Rheinland-Pfalz seien angesichts der großen Zahl von rund 40 bis 60 weiterhin vermissten Menschen zu befürchten, machte der Innenminister deutlich. Der gesamte Landkreis ist von der Unwetterlage betroffen. Mehrere Orte waren laut Polizei wegen des Hochwassers von der Außenwelt abgeschnitten.
© APA/dpa/Harald Tittel
Katastrophale Zustände
"Wenn Menschen über so viele Stunden vermisst sind und man natürlich überall um die Katastrophe weiß, dann sind es einige, die sich aus welchen Gründen auch immer - hier muss man das Schlimmste denken - nicht zurückgemeldet haben, so dass die Nacht, die nächsten Tage möglicherweise auch diese Zahl noch einmal nach oben schnellen lässt", sagte Lewentz. An allen Behörden in Rheinland-Pfalz werden die Fahnen am Freitag auf halbmast gesetzt.
Schwerpunkt der Katastrophe ist der Kreis Ahrweiler. Allein im 700 Einwohner zählenden Dorf Schuld an der Ahr waren sechs Häuser eingestürzt, etwa 40 Prozent der weiteren Wohngebäude wurden beschädigt. Erhebliche Schäden gab es auch in weiteren Regionen der Eifel sowie im Landkreis Trier-Saarburg.
Von Außenwelt abgeschnitten
Die Fluten schnitten mehrere Orte von der Außenwelt ab. Etwa 50 Menschen wurden von Hausdächern gerettet, auf denen sie Zuflucht gesucht hatten. Die Bewohner von mehreren Gemeinden waren von Stromausfall und Einschränkungen der Trinkwasserversorgung betroffen. In Trier wurden wegen des Hochwassers Teile der Ortslage Alt-Ehrang sowie ein Krankenhaus und ein Seniorenheim evakuiert. "Aus dem Heim wurden etwa 125 Menschen und aus dem Krankenhaus etwa 70 bis 80 Menschen weggebracht - einige frisch operiert", sagte Stadtsprecher Michael Schmitz.
Evakuierungen
An der Steinbachtalsperre wurden die Orte Schweinheim, Flamersheim und Palmersheim evakuiert. Die Talsperre sei von einem Sachverständigen als "sehr instabil" eingestuft worden, sagte der Landrat des Kreises Euskirchen, Markus Ramers (SPD). Von der Evakuierung seien 4.500 Einwohner betroffen. Gerüchte, wonach die Talsperre bereits gebrochen sei, hatte der benachbarte Kreis Ahrweiler zuvor dementiert. Im Rhein-Erft-Kreis appellierte ein Sprecher der Polizei an Schaulustige, die Rettungsarbeiten nicht zu behindern. "Die aktuelle Situation, in der viele Menschen um Angehörige bangen und sich um ihr Hab und Gut sorgen, ist nicht der richtige Zeitpunkt für Schaulust", sagte Thomas Held. Nach Einschätzung des Deutschen Wetterdienstes (DWD) ist der Höhepunkt der extremen Niederschläge in Teilen Deutschlands überschritten.
Höhepunkt erreicht
Nach Einschätzung des Deutschen Wetterdienstes (DWD) ist der Höhepunkt der extremen Niederschläge in Teilen Deutschlands überschritten. Der DWD-Meteorologe Marco Manitta erwartete am Donnerstag "eine Entspannung der Wetterlage". Zwar könne es weiterhin "punktuellen Starkregen" geben, dieser sei aber nicht mehr so verbreitet wie in der vergangenen Nacht, sagte Manitta der Deutschen Presse-Agentur. "Das Unwetterpotenzial sinkt deutlich."
Die größten Niederschlagsmengen gab es Manitta zufolge in einem breiten Streifen vom Sauerland über das Bergische Land und die Eifel, den Großraum Köln/Bonn bis zur Grenze nach Luxemburg. Spitzenreiter war Rheinbach-Todenfeld (Rhein-Sieg-Kreis in Nordrhein-Westfalen) mit 158 Millimeter Wasser im Messzeitraum 24 Stunden - wobei das meiste davon in kürzerem Zeitraum vom Himmel fiel, wie der Experte erklärte.