18. Oktober 2021 | 16:13 Uhr

La-Palma-Lava.jpg © Twitter

Faszination und Schrecken

Live-Stream des Natur-Spektakels auf La Palma

"Ein Vulkan schläft nie ganz, er kann jederzeit wieder aktiv werden." Hier der YouTube Live-Stream zum Vulkanausbruch auf La Palma.

Ein zweiter Lavastrom könnte auf der kanarischen Vulkaninsel La Palma heute das Meer erreichen und dort eine neue Landzunge bilden. Die 1.270 Grad heiße Masse sei rund 200 Meter vom Meer entfernt, teilte das Vulkanologische Institut der spanischen Region (Involcan) am Sonntagnachmittag mit. Der Lavastrom bewege sich Richtung Meeresklippen mit einer Geschwindigkeit von 15 Metern pro Stunde vorwärts.

Der Hauptstrom ergießt sich schon seit rund zwei Wochen in den Atlantik und lässt dort eine neue Landzunge entstehen, die am Sonntag etwa 36 Hektar groß war. Darauf passen rund 50 Fußballfelder. Die Landkarte La Palmas wird neu gezeichnet werden müssen.

Schrecken und Faszination

Mit einer Mischung aus Schrecken und Faszination sehen TV-Zuschauer in aller Welt, wie der Vulkan auf der Kanareninsel La Palma seit vier Wochen Tausende in die Flucht schlägt. Vom sicheren Sofa aus lässt sich wie in Zeitlupe die Zerstörung Hunderter Wohnhäuser durch die bis zu 1.200 Grad heiße Lava beobachten. Über dem fauchenden Vulkankegel steht eine dunkle Aschewolke, an den Hängen wälzen sich rotglühende Lavaströme hinab.

Sie verbrennen und zermalmen alles auf ihrem Weg zum Meer. Nichts bleibt von der vertrauten Umgebung, dem Zuhause, dem Ort, an dem die Menschen aufgewachsen sind, nur ein schwarze glühende Masse. "Stell dir vor, wie sehr es schmerzt zu sehen, dass der Ort, wo ich mein ganzes Leben verbracht habe, einfach verschwindet", sagt Enrique González (46) dem staatlichen TV-Sender RTVE in La Laguna, während er Hausrat auf einen Laster lädt.

Angesichts der Bilder und des Leids wird leicht vergessen, dass es ohne die Vulkantätigkeit die Insel gar nicht geben würde und auch die anderen nicht, die bekannteren und bei Touristen wegen ihres milden Klimas beliebten Kanareninseln Teneriffa, Gran Canaria, Fuerteventura, Lanzarote und Gomera. Sie verdanken ihre Existenz rund 200 Kilometer westlich der Westküste Afrikas einem sogenannten Hotspot tief im Erdinneren, von dem aus punktuell Magma an die Oberfläche drängt. Im Laufe von Millionen Jahren wuchsen die Inseln aus dem Meeresboden empor, und zwar von Ost nach West. Fuerteventura ist etwa 22 Millionen Jahre alt, La Palma im Westen "nur" circa zwei Millionen.

Frühere Vulkanausbrüche

Neben dem ganzjährig milden Klima locken auch die bizarren Landschaften früherer Vulkanausbrüche Hunderttausende Touristen auf die Kanaren. Der wohl bekannteste Vulkan ist der 3715 Meter hohe Teide auf Teneriffa. Die wüstenähnliche Gegend rund um den höchsten Berg Spaniens wirkt wie eine Mondlandschaft. In Santa Cruz de Tenerife sonnen sich die Urlauber auf dem pechschwarzen Sand der Playa Jardin. Und auf Lanzarote ist der Lavatunnel von Janeos del Agua eine ebenso beliebte Touristenattraktion wie der farbige Berg Montaña Colorado. Im Nationalpark Timanfaya fühlt sich der Besucher wie auf einem anderen Planeten.

Und auch der Vulkan auf La Palma lockt schon Reisende an. Von Teneriffa aus werden per Schiff Tagestouren oder auch Besuche mit Übernachtung auf der Vulkaninsel angeboten. Für die Menschen, die bisher meist vom Bananenanbau lebten, könnte das eine neue Einnahmequelle sein.

Dass Vulkantourismus nicht ganz ungefährlich ist, zeigte jedoch das Unglück auf White Island vor der Küste von Neuseeland. Im Dezember 2019 war dort ein Vulkan plötzlich ausgebrochen, während gerade 47 Ausflügler auf der Insel waren. 22 von ihnen starben, die meisten Überlebenden erlitten schwere Verbrennungen. "Ein Vulkan schläft nie ganz, er kann jederzeit wieder aktiv werden", sagt die Vulkanologin und Gründerin der Stiftung Volcano Active Foundation in Barcelona, Anne Fornier. Ihr geht es um mehr Sicherheit für Menschen, die in der Nähe von Vulkanen siedeln.

Niemand ernsthaft verletzt

Trotz des heftigen Vulkanausbruchs auf La Palma ist dort bisher noch niemand ernsthaft verletzt worden. Das lag auch an einem Krisenplan der Inselregierung. Ältere und in ihrer Bewegung eingeschränkte Menschen waren vorsorglich schon kurz vor dem Ausbruch, der sich durch Hunderte leichte bis mittlere Beben andeutete, in Sicherheit gebracht worden. Zudem waren die Bewohner gefährdeter Gebiete aufgerufen worden, Fluchtgepäck mit den wichtigsten Unterlagen, Medikamenten und ihrem Handy griffbereit zu haben. Auch die Sammelpunkte im Falle von Evakuierungen waren bekannt. Große Hilfsbereitschaft und Soforthilfen in Millionenhöhe des Staates linderten die größte Not der 7.000 seit dem Ausbruch Evakuierten.

Dennoch hätten die Menschen das von dem Vulkan ausgehende Risiko wohl etwas unterschätzt, sagt Fornier. "Der Vulkan liegt in derselben Region der Insel, wo erst vor 50 Jahren der Teneguía ausgebrochen war. Und davor spie der Vulkan San Juan 1949 fast an derselben Stelle wie heute große Mengen Lava aus", gibt sie im Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur zu bedenken. "Man muss schon fragen, warum dort im Tal von Aridane so viele Baugenehmigungen erteilt wurden", sagt die Französin. Man habe wohl gehofft, es werde schon gut gehen.

Strom hat sich gegen Erwartungen verlangsamt

Ein zweiter Lavastrom wird auf der kanarischen Vulkaninsel La Palma entgegen ersten Voraussagen am Montag wohl noch nicht das Meer erreichen. Der Strom habe sich deutlich verlangsamt und bewege sich am Rande des Berges La Laguna im Süden La Palmas nur noch mit einer Geschwindigkeit von zwei Metern pro Stunde vorwärts, berichtete der TV-Sender RTVE unter Berufung auf die zuständigen Behörden der spanischen Atlantik-Insel vor der Westküste Afrikas.

Die 1.270 Grad heiße Masse sei noch 160 Meter vom Meer entfernt. Sie habe am Montag erneut Bananenplantagen zerstört, wurde die Regionalchefin des Geographischen Instituts IGN, María José Blanco, in der Zeitung "El Mundo" zitiert.

Am Sonntag war der Strom noch mit einer Geschwindigkeit von 15 Metern pro Stunde Richtung Meeresklippen geflossen, bevor er sich deutlich verlangsamte. Es gilt aber als sicher, dass er früher oder später den Atlantik erreichen und eine neue Landzunge bilden wird. Der Hauptstrom ergießt sich schon seit gut zwei Wochen ins Meer und lässt dort eine neue Landzunge entstehen, die am Montag bereits mehr als 36 Hektar groß war. Darauf passen rund 50 Fußballfelder.

Am Montag wurde unterdessen der Flugbetrieb auf La Palma nach zweitägiger Unterbrechung wieder aufgenommen. Der Flughafen der Insel war am Wochenende zwar weiter betriebsbereit geblieben, doch wegen einer Zunahme der für Flugzeuge gefährlichen Vulkanasche hatten Airlines wie Binter alle ihre Flüge gestrichen.

Seit der Vulkan am 19. September erstmals nach 50 Jahren wieder aktiv wurde, hat die Lava nach jüngsten amtlichen Angaben vom Montag bereits 1.835 Gebäude völlig zerstört. Nach Angaben des europäisches Erdbeobachtungssystems Copernicus waren am Montag fast 790 Hektar von einer meterdicken Lavaschicht bedeckt. Diese Fläche entspricht mehr als tausend Fußballfeldern. Rund 7.000 Bewohner mussten seit Ausbruch des Vulkans in Sicherheit gebracht werden.
 

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