12. September 2023 | 11:50 Uhr
Laut Rotem Kreuz
10.000 Vermisste nach Unwetter in Libyen
Nach dem Sturm und Überschwemmungen im Osten Libyens werden nach Angaben des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz und Roten Halbmond noch etwa 10.000 Menschen vermisst.
Es könnte "Tausende" Todesopfer geben, sagte am Dienstag Organisationsvertreter Tamer Ramadan in einer Videokonferenz. "Wir bestätigen anhand unserer unabhängigen Informationen, dass die Zahl der vermissten Personen bei etwa 10.000 liegt." Zuvor gab es widersprüchliche Angaben aus dem Bürgerkriegsland.
Experten drängten zu schneller internationaler Hilfe. Die Türkei organisierte inzwischen die Entsendung von Rettungskräften. Man habe Flüge mit Bergungstrupps samt Rettungsbooten, Zelten und Versorgungsgütern an Bord organisiert, teilte der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan auf der Onlineplattform X (vormals Twitter) mit. Auch die EU bot Hilfe an. "Wir sind bereit, unsere Partner an Ort und Stelle umgehend zu unterstützen", teilte der für humanitäre Hilfe und Katastrophenschutz zuständige EU-Kommissar Janez Lenarcic am Dienstag auf X mit. Ähnlich äußerte sich auch der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell.
Zu Todesopfern lagen zunächst keine überprüfbaren Angaben vor. Die Regierung im Osten des Landes befürchtet jedoch Tausende Tote. Der Ministerpräsident einer der rivalisierenden Regierungen in dem Bürgerkriegsland, Osama Hammad, sagte am Montag dem Fernsehsender Al-Massar, es seien mehr als 2.000 Tote zu befürchten. Tausende weitere Menschen in dem Land mit knapp sieben Millionen Einwohnern seien vermisst.
Tausende Tote
Allein in der massiv betroffenen Stadt Darna wurden nach Behördenangaben mehr als 1.000 Tote geborgen. "Die Lage ist sehr katastrophal. Überall liegen Leichen - im Meer, in den Tälern, unter den Gebäuden", sagte Luftfahrtminister der im Osten herrschenden Regierung, Hichem Chkiuat, am Dienstag. Er rechne damit, dass die endgültige Zahl der Opfer "sehr, sehr hoch" sein werde. "Ich übertreibe nicht, wenn ich sage, dass 25 Prozent der Stadt verschwunden sind." Viele Gebäude seien eingestürzt. Mehr als 300 Opfer in Darna wurden in Massengräbern beerdigt, wie das libysche Portal "Babwat Al-Wasat" am Dienstag berichtete.
Die Regierung in der Hauptstadt Tripolis unter Ministerpräsident Abdul Hamid Dbaiba sprach von den schwersten Regenfällen seit mehr als 40 Jahren. In Darna war die Lage nach Angaben des Gemeinderats "außer Kontrolle". Dort sollen zwei Staudämme gebrochen sein. Rettungsmaßnahmen gestalteten sich nach Angaben des Notfalldiensts schwierig. Man sei auf die Unterstützung von Hubschraubern angewiesen. Strom und Internetverbindung seien unterbrochen. Die betroffenen Regionen wurden zu "Katastrophengebieten" erklärt.
Der Sturm "Daniel" hatte Libyen am Sonntag erfasst. Die UNO-Koordinatorin für humanitäre Hilfe in Libyen, Georgette Gagnon, forderte die internationale Gemeinschaft zu schneller Hilfe auf. Ersten Berichten zufolge wurden Dutzende von Dörfern und Städten schwer in Mitleidenschaft gezogen, schrieb Gagnon auf der Plattform X. Laut den Rettungsdiensten ist vor allem der Nordosten betroffen.
In Libyen war nach dem Sturz von Langzeitmachthaber Muammar al-Gaddafi im Jahr 2011 ein Bürgerkrieg ausgebrochen. In dem ölreichen Staat in Nordafrika ringen bis heute zahlreiche Milizen um Einfluss. Derzeit kämpfen zwei verfeindete Regierungen mit jeweils einem Sitz im Osten und Westen um die Macht. Alle diplomatischen Bemühungen, den Konflikt friedlich beizulegen, scheiterten bisher. Der Konflikt wird durch ausländische Staaten zusätzlich befeuert.
(Redaktionelle Hinweise: GRAFIK 1214-23, 88 x 70 mm)