14. Oktober 2015 | 11:57 Uhr
Wetterphänomen
Kalifornien zittert vor "Godzilla"-El-Nino
Land unter statt Dürre? Die Wetteraussichten sind extrem.
Kalifornien ist im Schwitzkasten. Es ist Mitte Oktober und in Los Angeles klettern die Temperaturen drei Tage hintereinander auf über 35 Grad. Das sei ein neuer Rekord für anhaltende Oktoberhitze in 25 Jahren, sagen die Meteorologen. In diesem Winter kommt auf Kalifornien möglicherweise ein anderer Wetterrekord zu. El Nino (Spanisch für "das Christkind") steht in den Startlöchern.
"Es sind gute und schlechte Nachrichten", sagt der Meteorologe Jack Boston vom Wetterdienst AccuWeather über das regenreiche Phänomen. "Es könnte uns helfen, die Dürre zu lindern, aber die heftigen Stürme kommen mit vielen Gefahren, wie Erdrutsche, Überschwemmungen und Lawinen", so die Prognose.
An Wettersuperlativen haben sich die Kalifornier längst gewöhnen müssen. Es ist das vierte Jahr mit einer der schwersten Dürren in dem inzwischen braun-verdorrten "goldenen" Westküstenstaat. Der schneearme vergangene Winter brachte seit Beginn der Wettermessungen in den 1950er-Jahren einen Trockenheitsrekord.
Extremer El Nino erwartet
Es gibt zuverlässige Vorzeichen für einen starken El Nino in diesem Winter. Das Pazifikwasser an der Westküste Südamerikas ist ungewöhnlich warm, das Wetterphänomen bringt dann weltweit die Luftdruckverhältnisse und Windverhältnisse durcheinander. Die mögliche Folge für Kalifornien: Ein ähnlich schlimmer oder noch heftigerer Winter mit sintflutartigen Niederschlägen wie zum Jahresende 1997 und Anfang 1998, dem letzten El Nino-Rekordwinter.
Damals kamen 17 Menschen ums Leben, einige ertranken in ihren von Wassermassen mitgerissen Autos. Andere wurde nach Erdrutschen von Schlamm und Geröll in ihren Häusern begraben. Der Sachschaden durch Überflutungen und Stürme wurde mit einer halben Milliarde Dollar beziffert.
Frühestens im Dezember rechnen die Meteorologen mit den ersten schweren Unwettern, doch schon jetzt wird vor dem "Godzilla"- und dem "Super"-El Nino gewarnt. "Wir benutzen solche netten Adjektive nicht, aber wir sind sehr besorgt, dass es ein sehr starkes Phänomen geben wird", sagt Jack Boston.
Dürrejahr
Nach einem Dürrejahr mit ausgetrockneten und von schweren Waldbränden verkohlten Böden rüsten sich die Einsatzteams für weitere Katastrophen. Nach Angaben der Brandbehörde sind in diesem Jahr in den USA über vier Millionen Hektar Land verbrannt, fast doppelt so viel wie die durchschnittliche Fläche in den vergangen zehn Jahren. In Kalifornien fraßen sich die Flammen durch weite Landstriche, die nun kahl und ohne schützende Vegetation den Niederschlägen ausgesetzt sind.
Im dürregeplagten Kalifornien kann schon ein kleiner Sturm großes Chaos anrichten. Als die Ausläufer von Hurrikan Linda Mitte September außerplanmäßig Regen nach Los Angeles brachten, kam an vielen Stellen prompt der Verkehr zum Erliegen. Die Feuerwehr twitterte über mehrere Rettungsaktionen in dem angeschwollenen Los Angeles River, der Menschen mitgerissen hatte.
Eine weitere Sorge macht sich bei der Wasserbehörde breit. Die Aussicht auf Regen könnte dazu führen, dass die Kalifornier den Wasserhahn wieder stärker aufdrehen. Gouverneur Jerry Brown hatte Wassersparen in diesem Jahr zur Pflicht gemacht. Städte und Gemeinden mussten ihren Wasserverbrauch um 25 Prozent reduzieren. Tatsächlich folgten die Einwohner dem dringlichen Appell, vielerorts ging der Wasserkonsum drastisch zurück.
Ein nasses El Nino-Jahr könne vier Jahre Dürre nicht wettmachen, meint der staatliche Klimatologe Michael Anderson. Die Flüsse und Staubecken sind fast leer. Zudem könnte sich auch schnell wieder "La Nina" (das Mädchen) einstellen. Das war 1998 der Fall, als dem Regen-Rekordwinter im folgenden Jahr das trockene Gegenstück folgte. Eins ist gewiss: Kalifornien muss sich für weitere Wetterextreme wappnen.
Grafik: APA