16. März 2020 | 22:25 Uhr

Erde © Getty Images

Innsbrucker Forscher fanden heraus

Wird die Neigung der Erdachse größer, kommen Warmzeiten

Die Schiefstellung der Erdachse, die Obliquität, sei auch heutzutage für das Erdklima von essenzieller Bedeutung. Sie war verantwortlich für das Ende von Eiszeiten.

Wenn sich die Erde gegenüber der Sonne verneigt, enden Eiszeiten: Die Schiefstellung der Erdachse (Obliquität) ändert sich ständig und in der jüngsten Million Jahre war sie stets groß, wenn Kaltperioden aufhörten. Das berichtet ein Forscherteam mit österreichischer Beteiligung. Hohe Obliquität sei demnach ausschlaggebend für den Beginn von Warmzeiten. Die Studie erschien im Fachjournal "Science".

Derzeit vollführt die Erde etwa alle 100.000 Jahre einen Wechsel von Kalt- und Warmzeiten. Daran sind periodische auftretende Änderungen der Erdbahn-Eigenschaften beteiligt, nämlich besagte Neigung der Erdachse (Obliquität), wie stark die Erdumlaufbahn von einer Kreisbahn abweicht (Exzentrizität) sowie die Schwingung der Erdachse (Präzession). Alle drei Phänomene entstehen durch Anziehungskräfte (gravitative Einflüsse) anderer Planeten des Sonnensystems.

Bis vor rund einer Million Jahre war der Takt jedoch ein anderer und der Wechsel zwischen Kalt- und Warmzeiten erfolgte alle 41.000 Jahre. Was das Tempo gedrosselt und diesen "Mittelpleistozän-Übergang" verursacht hat, ist unklar. Ein Team um Russell Drysdale von der Universität Melbourne (Australien) hat die Umstände der ersten Kaltzeit-Enden nach diesem Übergang in der aktuellen Studie untersucht.

Dazu hat das Team Tropfsteine der Corchia-Höhle in den Apuanischen Alpen Italiens analysiert, die zwischen 970.000 und 810.000 Jahre alt sind. "Dieser Zeitraum beinhaltet zwei Terminationen, also zwei Übergange von einer Kalt- in eine Warmzeit", so Christoph Spötl vom Institut für Geologie der Universität Innsbruck: Es handle sich dabei um die ersten zwei Terminationen am Beginn des damals einsetzenden 100.000-Jahre-Takts.

Durch Uran-Blei-Datierung (bei der die radioaktiven Zerfallsreihen von Uran zu Blei für die Datierung herangezogen werden) haben die Forscher aus Melbourne das genaue Alter der einzelnen Tropfstein-Lagen mit noch nie dagewesener Präzision bestimmt, erklärte Spötl im Gespräch mit der APA. In Innsbruck habe man wiederum anhand der eingelagerten Sauerstoff-Isotopen-Verteilung (das unterschiedliche Verhältnis von Sauerstoff-Typen unterschiedlicher Masse) das jeweils herrschende Klima ermittelt. In einen größeren Zeitrahmen reihten die Forscher die jeweils maximal 10.000 Jahre umspannenden Tropfstein-Zeitreihen mithilfe von Tiefseesedimentablagerungen im Atlantik westlich Portugals ein, die für sich alleine nicht genau datierbar sind, aber eine lückenlose Abfolge ermöglichen.

Anhand all dieser Daten sei man zu dem Ergebnis gekommen, dass die beiden ersten Terminationen nach dem Mittelpleistozän-Übergang, also Wechsel von Kalt- zu Warmzeiten, in Zeiträumen stattfanden, als eine hohe Obliquität (Neigung der Erdachse) vorherrschte, während die Präzession (Schwingung der Erdachse) unterschiedlich war. "Damit dürften die Änderungen in der Schiefe der Erdachse ausschlaggebend gewesen sein", meint Spötl: "Wir haben dieses Konzept dann auch für alle jüngeren Wechsel von Kalt- zu Warmzeiten getestet und kamen zum gleichen Schluss, dass jedes Mal die Änderungen in der Neigung der Erdachse die Ursache war."

Die Obliquität sei somit auch in der heutigen "100.000er-Welt" für das Erdklima von essenzieller Bedeutung. Das sei nicht verwunderlich, so Spötl: Sie ist nämlich eine Grundvoraussetzung, dass auch hohe Breiten viel Sonnenenergie abbekommen, und die Eisschilde dort schmelzen können.