11. Juni 2015 | 11:24 Uhr

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Hochgebirgsseen

Umweltgift: Männliche Fische werden Weibchen

Hormonell aktive Stoffe gelangen aus der Troposphäre in entlegene Gewässer.

Die Fische in Europas Hochgebirgsseen verweiblichen. Zu diesem Schluss kommen Zoologen aus Tirol und Spanien. Hormonell aktive Umweltgifte, die aus der untersten Schicht der Erdatmosphäre (Troposphäre) in diese entlegenen Ökosysteme gelangen, lassen Fischmännchen zu Weibchen werden, wie das Forscherteam in der Fachzeitschrift Nature Scientific Reports berichtete.

"Wir haben festgestellt, dass sogar in den abgelegensten Hochgebirgsseen in der Hohen Tatra sowie den Pyrenäen Fische einer dauerhaften Belastung an Umweltchemikalien ausgesetzt sind. Diese hormonwirksamen Umweltchemikalien wirken wie das weibliche Sexualhormon Östrogen.

HCB wirkt wie Antibabypille
Junge männliche Forellen reagieren besonders auf das Umweltgift Hexachlorbenzol (HCB) sehr rasch mit einsetzender Feminisierung", wurde der Zoologe Reinhard Lackner von der Universität Innsbruck in einer Aussendung zitiert.

HCB und andere schwer abbaubare Chemikalien gelangten als schwerflüchtige Substanzen aus der Luft in Hochgebirgsseen. Wenn männliche Fische solche hormonaktiven Stoffe mit ihrer Nahrung aufnehmen, wirkten diese als endokrine Disruptoren. Die normalen, hormongesteuerten Abläufe im Körper würden gestört, "die männlichen Fische schlucken unfreiwillig die Antibabypille," erklärte Lackner. Weibliche Fische hielten laut dem Forscher dagegen von Natur aus höhere Östrogenkonzentrationen aus.

"Bis zum Verwendungsverbot von HCB wurde diese Chemikalie sehr breit verwendet, und wie wir wissen, kommt es noch immer zu Freisetzungen", so Lackner.

Neben HCB entdeckten die Forscher in Blut, Leber und Muskelgewebe der Fische eine Reihe toxischer Stoffe wie Alpha-Hexachlorocyclohexane (aHCH), Gamma-Hexachlorocyclohexane (gHCH - auch bekannt als Lindan), polychlorierte Biphenyle (PCB) sowie Dichlordiphenyltrichlorethan (ein Abbauprodukt des Insektizids DDT). Diese Substanzen binden bei Fischen in der Leber an den Östrogenrezeptor.

Forscher: "Ernste Warnung"
Zwar seien aufgrund des bisher detektierten Grades der Verweiblichung die Populationen in ihrem Fortbestand in den untersuchten Seen in Spanien, Polen und der Slowakei "nicht gefährdet". Auch der Verzehr solcher Fische gelte nach derzeitigem Wissensstand noch als unbedenklich. Es sei nach Ansicht Lackners "aber insgesamt ist das eine ernste Warnung". Schließlich gelte das Hormonsystem von Vertebraten - zu denen auch die Fische zählen - jenem des Menschen als sehr ähnlich.

Die vielfältigen Wirkungen von Östrogen auf den Organismus seien dabei nur ein Aspekt. Organische Chlorverbindungen würden im allgemeinen als krebserregend, fruchtschädigend und neurotoxisch gelten. Viele ihrer Wirkungen auf Mensch und Tier seien aber weitgehend unerforscht, betonte der Zoologe. Der Wissenschafter (62) beschäftigt sich seit 30 Jahren mit der Erforschung von Fischen.

Die ersten "Intersex-Fische" wurden in den 1980er-Jahren in Großbritannien entdeckt. Verantwortlich für den Geschlechtswechsel sollen Umweltgifte sein, die hormongesteuerte Abläufe im Körper stören.
 

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