21. April 2016 | 12:08 Uhr

arktis.jpg © APA (Archiv)

Winter zu warm

Rekord-Eisschmelze in der Arktis erwartet

Im warmen Winter hat sich besonders wenig neues Eis gebildet.

Forscher erwarten einen Rekordschwund beim Arktiseis. Durch den ungewöhnlich warmen Winter konnte sich das Eis auf den arktischen Meeren kaum regenerieren und werde im Sommer zumindest auf das Rekordtief von 2012 schrumpfen, erklärten sie bei der Generalversammlung der European Geosciences Union in Wien. Im Februar war es bis zu acht Grad Celsius wärmer als im langjährigen Mittel.

Das arktisches Meereis ist seit Beginn der Satellitenaufzeichnungen 1997 um 3,5 Millionen Quadratkilometer fast auf die Hälfte geschwunden, erklärte Alexandra Jahn von der University of Colorado (USA). Zwar konnte in den Jahren 2013 und 2014 durch interne Variabilität, das sind Schwankungen, die unabhängig von äußeren Einflüssen wie dem Klimawandel oder der Sonnenaktivität geschehen, ein großer Teil wieder regenerieren, doch deutsche Forscher prophezeien für heuer den nächsten großen Verlust.

Große Bereiche mit dünnem Eis

"Daten, die wir mit dem CryoSat-2 Satellit gesammelt haben, zeigen große Bereiche mit dünnem Meereis, das wahrscheinlich den Sommer nicht überleben wird", sagte Marcel Nicolaus vom Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung in Bremerhaven (Deutschland). Aber ebensolche Mengen von dickem Packeis werden vermutlich durch die Meeresströmungen weggetrieben, im Nordatlantik landen und dort schmelzen.

Wie viel Meereis in den Sommermonaten in der Arktis schmilzt, hängt hauptsächlich von den Windverhältnissen sowie der Luft- und Wassertemperatur ab. Die Grundlagen dazu werden im Winter gelegt. "Die Winterluft war heuer zwar nicht ausreichend warm, um die Schneedecke über dem Meereis oder das Eis selbst zum Schmelzen zu bringen, doch das Wachstum des Meereises war signifikant langsamer als alle angenommen haben", so die Forscher um Nicolaus. Jetzt im Frühling sei das Eis deutlich dünner als sonst um diese Jahreszeit. Im Norden von Alaska etwa einen Meter anstatt wie üblichen eineinhalb Meter.

Zugewinne 2013 und 2014
Im Sommer 2012 gab es hier schon einen Negativrekord, als das Arktiseis auf 3,4 Millionen Quadratkilometer schrumpfte. Die recht kalten Winter 2013 und 2014 brachten zwar Erholung, doch die Zugewinne werden heuer wohl alle wegschmelzen und -driften. "Wenn die Wetterbedingungen weiter ungünstig sind, können wir sogar einem neuen Rekordtief gegenüberstehen", erklärten sie.

Für die Prognose hat Nicolaus mit Kollegen die Satellitendaten zur Meereisdecke aus den vergangenen fünf Wintern ausgewertet. Außerdem setzten die Forschern bei einer Arktisexpedition sieben Schneebojen auf Eisschollen ab, die ihnen Informationen zur Höhe der Schneedecke, der Lufttemperatur und über den Luftdruck lieferten.

2100 ist das Arktiseis weg

Durch den Eisschwund in der Arktis werden sich auch die Wellensysteme in der Arktis ändern, sagte Mikhail Dobrynin von der Universität Hamburg. Im Sommer 2100 werde voraussichtlich gar kein Eis mehr die Oberfläche des arktischen Ozeans bedecken. Dadurch können Wellen aus dem Nordatlantik bis zum Pol vordringen und gänzlich neue Systeme mit recht hohen Wellenhöhen entstehen. Diese werden die Küstenlinien im äußersten Norden stärker erodieren als bisher und so organische Bestandteile und Treibhausgasen freisetzen, die dort reichlich vorhanden sind, warnte der Wissenschafter.