13. Juli 2015 | 17:01 Uhr
Grönland
Regen beschleunigt Schmelze der Gletscher
Mehr Wasser im System verringert die Reibung zwischen Eis und Untergrund.
Starke spätsommerliche Regenfälle beschleunigen die Schmelze und erhöhen die Fließgeschwindigkeit grönländischer Gletscher. Dieses bisher nur aus den Alpen und Alaska bekannte Phänomen wurde nun erstmals in Grönland festgestellt, berichtet ein Forscherteam im Fachjournal "Nature Geoscience". Die Kartierung der Eis-Geschwindigkeit führte die Innsbrucker Forschungsfirma ENVEO IT durch.
Die Wissenschafter um Samuel Doyle von der britischen Aberystwyth University haben die Fließgeschwindigkeit der Gletscher an den westlichen Rändern des grönländischen Eisschilds und den Wasserdruck in den Eismassen gemessen sowie meteorologische Analysen durchgeführt. Sie verglichen dabei eine Woche mit warmen Niederschlägen aus einem Tiefdruckgebiet Ende August 2011 mit den Wochen davor.
Die sehr hohen Abflüsse von Schmelz- und Regenwasser in dieser Woche führten zu einer großflächigen Erhöhung der Fließgeschwindigkeit des Eises, die sich 140 Kilometer ins eisbedeckte Landesinnere erstreckte. Gegenüber den Wochen davor stieg die Eis-Geschwindigkeit um bis zu mehr als das Doppelte, etwa im unteren Bereich des Russell Gletschers von 0,2 auf 0,5 Meter pro Tag.
"Gletscher sind nicht eine geschlossene, kompakte Eismasse, sondern von Spalten und Kanälen durchzogen ", erklärte Thomas Nagler, Geschäftsführer von ENVEO IT, gegenüber der APA. Wenn sich durch heftige Niederschläge im Spätsommer die Eisschmelze verstärkt und vermehrt Wasser in dieses System eingebracht wird, erhöht sich der Wasserdruck im Gletscher und verringert sich die Reibung zwischen Eis und Untergrund. Die Folge ist die beobachtete Erhöhung der Fließgeschwindigkeit, sagte der Experte. Es ist zu erwarten, dass dieser Effekt die Massenverluste des grönländischen Eises mit zunehmender Klimaerwärmung noch weiter verstärken wird.
Das 2001 gegründete Spin-Off-Unternehmen der Universität Innsbruck ENVEO IT GmbH hat sich auf die Analyse von Radardaten aus Fernerkundungs-Satelliten spezialisiert. Schwerpunkt der Anwendung liegt auf der Kartierung der Eisbewegung in Grönland, der Antarktis und auf Gebirgsgletschern, der Kartierung der Schneedecke vom regionalen bis zum globalen Bereich für Hydrologie und Klimaforschung und der Überwachung von instabilen Hängen im Gebirge.
"Wir wurden von den Hauptautoren der nun veröffentlichten Studie gebeten, die Eis-Geschwindigkeit für dieses Gebiet zu kartieren", erklärte Nagler. Dafür wurden Aufnahmen des deutschen Radarsatelliten TanDEM-X mit speziellen, bei ENVEO entwickelten Verfahren bearbeitet (der in der Publikation genannte Ko-Autor Kilian Scharrer führte die Arbeiten durch, ist aber nicht mehr beim Unternehmen, Anm.).
Auf Basis von Radardaten des im Frühjahr vergangenen Jahres gestarteten europäischen Umweltsatelliten "Sentinel-1A" haben die Experten des Innsbrucker Unternehmens eine Karte der Eis-Geschwindigkeiten für ganz Grönland produziert. Eine Publikation darüber ist im Druck.