09. Oktober 2015 | 13:03 Uhr

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Rätsel um "El Faro"

Kapitän steuerte mit voller Kraft in den Hurrikan

Die letzten GPS-Signale des gesunkenen US-Frachters geben Rätsel auf.

10 Stunden, nachdem der US-Frachter "El Faro" am 30. September aus dem Hafen von Jacksonville (Florida) ausgelaufen war, änderte der erfahrene Kapitän Michael Davidson plötzlich den Kurs. Anstatt weiter geradewegs auf sein Ziel San Juan (Puerto Rico) zuzuhalten, näherte sich der 224-Meter-Transporter den Bahamas. Das Schiff war nach wie vor mit voller Kraft unterwegs, wie aufgezeichnete GPS-Daten zeigen.

Für die US-Küstenwache und erfahrene Seeleute ist die Entscheidung des Kapitäns ein Rätsel.

30. September, 17.00 Uhr Ortszeit: Trotz der aufrechten Warnung vor Hurrikan "Joaquin" nahm der Frachter nicht die Abzweigung durch das sogenannte "Hole in the Wall" auf den Bahamas in Richtung Kuba, um dem Sturm zu entgehen. Möglich, dass sich der Kapitän aus Kostengründen gegen diese Route entschied - "El Faro" wäre länger unterwegs gewesen und hätte mehr Treibstoff gebraucht.

30. September, 21.09 Uhr: Um den Hurrikan dennoch zu umschiffen, machte Davidson einen Knick nach Süden. Zu diesem Zeitpunkt war das Schiff fast mit voller Kraft unterwegs. Mit 37 km/h versuchte der Kapitän dem Hurrikan zu entkommen. Der Sturm bewegte sich jedoch ebenfalls nach Süden, auf die Bahamas zu. "El Faro" saß zwischen den Inseln und dem Sturm in der Falle. "Umdrehen war seine einzige Chance", analysiert Schifffahrtsexperte John Konrad. Doch Davidson wendete nicht, steuerte genau in die Bahn des Wirbelsturms.

1. Oktober, 2.09 Uhr: "El Faro" ist nur noch 80 Kilometer vom Auge des Hurrikans entfernt. Der Frachter stemmt sich bis zu 15 Meter hohen Wellen und Windgeschwindigkeiten von 170 km/h entgegen, ist immer noch mit 27 Stundenkilometern unterwegs.

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Grafik: Reuters / NOAA

Am 1. Oktober, 3.56 Uhr, sendet "El Faro" zum letzten Mal ein GPS-Signal. Kurz meldete die Besatzung des Frachters, dass der Antrieb ausgefallen sei und Wasser eindringe. Das Schiff sei in Schräglage geraten. Dann riss der Kontakt ab. Versuche, das Schiff zu orten, blieben erfolglos. An Bord der "El Fargo" befanden sich 28 US-Bürger und fünf Polen.

Die US-Küstenwache fand bei einer Suchaktion Tage später eine Leiche in einem Kälteschutzanzug, Trümmerteile und ein beschädigtes Rettungsboot. Nun sollen Sonar-Schiffe mit fernsteuerbaren Robotern das Wrack - und damit auch den Daten-Rekorder - des Frachters orten. Dieser Rekorder zeichnet die letzten 12 Stunden der Kommunikation an Bord auf und könnte das Rätsel lösen, warum der Kapitän mit voller Kraft dem Hurrikan entgegensteuerte.