15. Juli 2022 | 10:24 Uhr

feuerqualle.jpg © Getty

Plage im Urlaub

Feuerquallen-Alarm im Mittelmeer

Eine Quallenplage im Mittelmeer beschäftigt derzeit Strandbesucher und Forscher. Mit lila Tentakeln und Mini-Harpunen gehen die Feuerquallen auf Urlauberjagd.

Sie können einen Urlaubstag am Meer verderben: Am Mittelmeer quälen immer öfter etwa apfelgroße lila Feuerquallen die Badegäste. Die Berührung ihrer Tentakel ist unglaublich schmerzhaft. Wissenschafter sehen Quallen nicht nur als lästige Plage, sondern auch als Forschungsobjekte mit vielfältigem Nutzen für Menschen. So helfen sie bei technologischen Neuerungen in Medizin und Landwirtschaft und finden bei der Herstellung von Windeln oder beim erdbebensicheren Bauen Verwendung.

Seit Mitte Juni hat sich die Feuerqualle Pelagia noctiluca vor den Küsten Korsikas und der Côte d'Azur explosionsartig vermehrt und vergällt Urlaubern an vielen südfranzösischen Stränden das Baden. Der Italiener Simone Martini kann ein Lied davon singen. Ihn hat es an einem Strand in Ajaccio auf Korsika erwischt. "Zwei Wochen danach tut mir der Stich immer noch manchmal weh", sagt er über die Wunde an seiner Stirn.

"Auf die Wunde zu pinkeln, hilft sicher nicht"

Es gibt viele Tipps, wie man den Schmerz lindern kann, aber der Ozeanograf Fabien Lombard hat Zweifel an den meisten Methoden: "Auf die Wunde zu pinkeln, hilft sicher nicht", sagt der Experte vom Meeresforschungsinstitut Laboratoire d'Océanographie de Villefranche/Mer lachend. Vor allem aber sollte man nicht die betroffene Stelle "mit Meerwasser spülen oder mit Sand abreiben".

Feuerquallen schießen aus Nesselkapseln an ihren Tentakeln winzig kleine Harpunen mit einem giftigen Cocktail ab. "Quallen sind blind und stechen daher alles, was ihnen begegnet, um zu probieren, ob sie es fressen können. Sie injizieren Nervengift, um ihre Beute zu lähmen, und Enzyme, um sie zu verdauen", erklärt Lombard.

Wissenschaftern bereiten Quallen aus anderen Gründen Sorge. Der Weltklimarat IPCC warnte in einem 2019 veröffentlichten Bericht, die starke Ausbreitung der Quallen führe zu einer "Gelifizierung", also einer Art Verschleimung, der Meere. Fabien Lombard hat Zweifel: "Wir haben keine verlässlichen Messungen, die zeigen, dass es mehr Quallen gibt."

Quallenplage Symbol für Überfischung der Meere

Er räumt allerdings ein, dass es "in den 80er- und 90er-Jahren in Villefranche-sur-Mer abwechselnd fünf bis sechs Jahre mit Quallen und fünf bis sechs Jahre ohne Quallen gab". Dieses Jahr sei aber "schon das 25. in Folge mit Quallen".

#Lombard warnt jedoch davor, die Quallenplage an sich als Problem anzusehen. Vielmehr sei sie ein Symptom der Überfischung der Meere. Auch für Lovina Fullgrabe vom korsischen Meeresforschungsinstitut Stareso ist die Überfischung etwa von Thunfischen und Meeresschildkröten, die beide Quallen fressen, eine der plausibelsten Hypothesen, um das häufigere Vorkommen von Quallen zu erklären.

Schon seit etwa 600 Millionen Jahren bevölkern Quallen die Meere. Die Wissenschaft hat den Nesseltieren einige Durchbrüche zu verdanken. Der Chemie-Nobelpreis von 2008 zum Beispiel wurde für die Verwendung des Leuchtstoffes aus Quallen bei der Visualisierung von Zellprozessen verliehen, etwa in der Alzheimer-Forschung.

Quallen finden vielfache Verwendung

Die US-Raumfahrtbehörde NASA untersucht mit Quallen Fortpflanzung in der Schwerelosigkeit und die Europäische Union will seit 2017 mit dem Projekt "GoJelly" herausfinden, wie Quallen in der Ernährung, Düngung oder gegen Umweltverschmutzung eingesetzt werden könnten.

Lombard zufolge können Quallen als Futter in der Fischzucht oder zur Erhaltung der Bodenfeuchtigkeit, etwa im Weinbau oder dem Reisanbau, eingesetzt werden. Das Collagen der Quallen werde mitunter in Windeln oder Tampons verwendet, um Feuchtigkeit zu binden, und mache mancherorts sogar Beton flexibler und damit erdbebenfester zu machen, sagt der Meeresforscher. Zudem wird daran geforscht, wie Quallen bei der Knorpelbildung im menschlichen Körper helfen können.

Als letztes Mittel könnten die Menschen Quallen ja immer noch essen, um ihren Bestand einzudämmen. Das hat zumindest die UN-Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation FAO schon 2013 vorgeschlagen.

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