08. August 2021 | 16:00 Uhr
Kein Ende in Sicht
Erbarmungslos: Brände in Südeuropa und Russland verheerend
Flammen fressen sich weiter durch die Landschaft - 35 Salzburger Feuerwehrleute starten am Montag Richtung Griechenland - Keine Aussicht auf Entspannung.
In Süditalien bedrohen Feuer zunehmend Landwirtschaft und Naturschutzgebiete. In der Türkei sind weiterhin Großbrände außer Kontrolle, in Griechenland steht ein großer Teil der Insel Euböa in Flammen, auch die Halbinsel Peloponnes ist stark betroffen. Und Russland erlebt nach Angaben der Umweltorganisation Greenpeace die schlimmsten Waldbrände in der Geschichte seiner Wetterbeobachtung.
Überall kämpften Rettungskräfte und Bürger auch am Wochenende bis zur Erschöpfung gegen das Inferno an. Bei den Menschen machte sich Unmut über unzureichende Hilfen breit, doch international sind die Appelle angekommen. Internationale Helfer sind bereits angereist oder gerade dabei, auch Österreich unterstützt.
Verpflegung
35 Feuerwehrleute aus dem Bundesland Salzburg werden sich am Montag mit zehn Fahrzeugen auf den Weg nach Griechenland machen. Am Sonntag verlud die Mannschaft noch die letzten Dinge - darunter auch Verpflegung, Zelte und Sanitäreinrichtungen für ein eigenes Camp. Sonntagnachmittag war das genaue Einsatzgebiet noch nicht bekannt und daher wussten die Einsatzkräfte noch nicht, ob sie mit der Fähre oder auf dem Landweg anreisen werden, sagte Michael Leprich vom Landesfeuerwehrverband zur APA. Die Mannschaft soll planmäßig eine Woche in Griechenland bleiben und dann von einer zweiten Schicht abgelöst werden.
Die Hilfe wird in Griechenland dringend benötigt. Auf Euböa hat am Sonntag verstärkt der Einsatz von Löschflugzeugen begonnen, nachdem die Brände im Norden Athens vorerst nachgelassen hatten und die Flieger in der dicht besiedelten Region nicht mehr so dringend gebraucht wurden. Allerdings wird die Arbeit der Rettungskräfte erschwert: "Es gibt große Schwierigkeiten für die Löschflugzeuge, weil die Temperaturen extrem hoch sind und die Sicht sehr schlecht", sagte der griechische Zivilschutzchef Nikos Chardalias. Auf der Insel gibt es zwei gewaltige Feuerfronten.
Am Sonntag kam es zu einem Zwischenfall: Ein kleines griechisches Löschflugzeug vom Typ PZL musste wegen eines Motorschadens auf der Insel Zakynthos notlanden. Der Pilot sei wohlauf, berichtete das griechische Staatsfernsehen (ERT) unter Berufung auf die Zivildienstzentrale in Athen. Die Löschflugzeuge sind in Griechenland seit mittlerweile mehr als sechs Tagen im Einsatz - solange es Tageslicht gibt. Nachts versuchen Techniker, die Maschinen wieder einsatzbereit zu machen, wie es in dem Bericht weiter hieß.
Brandschutzsystem
Auch in Süditalien sind die Sorgen groß. "Ein weiteres Mal befinden sich die geschützten Naturareale im Klammergriff verheerender Brände", erklärte der Präsident des Verbands für Parks und Naturreservate Federparchi, Giampiero Sammuri. Betroffen seien der Aspromonte Nationalpark im süditalienischen Kalabrien und der Parco delle Madonie östlich der sizilianischen Hauptstadt Palermo. Federparchi forderte, das Überwachungs- und Brandschutzsystem zu verbessern. Für die kommenden Tage warnte die Zivilschutzbehörde vor einer weiteren Hitzewelle und weiteren Bränden.
Die italienische Zivilschutzbehörde entsendet weitere Verstärkung in die stark von Waldbränden betroffene Region Kalabrien. Ministerpräsident Mario Draghi habe dafür ein entsprechendes Dekret unterschrieben, teilte die Behörde für Katastrophenschutz am Sonntagabend in Rom mit. Der Präsident der Region an der italienischen Stiefelspitze, Nino Spirlì, hatte am Samstag bereits Unterstützung angefragt. Durch das Dekret kann sich die Zivilschutzbehörde nun darum kümmern, Freiwillige und andere Einheiten zur Unterstützung der Löscharbeiten zu entsenden.
Unter Kontrolle
Aus Kalabrien kamen der Behörde zufolge am Sonntag acht Anfragen für Löschflugzeuge. Dort brannte es unter anderem im Nationalpark Aspromonte. Am Rande des Parks meldete die Feuerwehr unlängst, dass ein Mann und eine Frau durch die Brände unweit des Ortes San Lorenzo ums Leben kamen. Die übrigen Anfragen kamen von den Inseln Sizilien und Sardinien sowie aus den Regionen Latium, Kampanien, Molise, Umbrien, den Abruzzen und der Basilikata. Zwölf Brände wurden demzufolge unter Kontrolle gebracht oder gelöscht.
Hunderte Bewohner und Touristen sind wegen Feuern um die italienische Adria-Gemeinde Campomarino aus ihren Unterkünften gebracht worden. Die Behörden evakuierten am Sonntag Hotels, Campingplätze und Wohnhäuser im Ortsteil Campomarino Lido am Meer, wie die Feuerwehr am Abend mitteilte. Mehr als 400 Menschen wurden demnach aus den Häusern geholt. Auf einem Video der Feuerwehr war zu sehen, wie dichter Qualm durch die Straßen zog und sich Flammen durch Büsche bis zu einem Café durchfraßen. Fotos zeigten Brände in der Nähe von Häusern.
Der Feuerwehr zufolge waren ein Löschflugzeug und ein Helikopter im Einsatz, um die Flammen aus der Luft zu bekämpfen. Am Boden versuchten Feuerwehrleute, die Brände zu löschen. Campomarino liegt an der Adriaküste in der kleinen italienischen Region Molise, etwas mehr als 100 Kilometer südlich von Pescara. Von Verletzten berichtete die Feuerwehr zunächst nicht.
Starke Winde
Die Feuerwehr zog unterdessen Bilanz für die bisherige Waldbrandsaison. Den Angaben zufolge zählte sie seit dem 15. Juni fast 44.500 Einsätze wegen Waldbränden. Im selben Vorjahreszeitraum waren es noch knapp 26.200. Nur im Jahr 2017 waren es zu diesem Zeitpunkt mehr. Die Zivilschutzbehörde warnte am Sonntag zudem vor weiteren Bränden bedingt durch eine nahende Hitzewelle. In Italiens Süden ist es sehr trocken und immer wieder begünstigen starke Winde die Flammen. Als Ursache für die Feuer gilt auch Brandstiftung.
Die Türkei kämpft schon den zwölften Tag in Folge gegen die schwersten Waldbrände seit mehr als zehn Jahren. Mindestens sechs Brände waren am Sonntag nach offiziellen Angaben noch nicht unter Kontrolle. Die Einsatzkräfte konzentrierten sich vor allem auf die südwesttürkische Provinz Mugla. Dort brach am Sonntagnachmittag der Nachrichtenagentur Anadolu zufolge ein weiteres Feuer in der Nähe des internationalen Flughafens Dalaman aus. Von einer Beeinträchtigung des Reiseverkehrs war zunächst nichts bekannt.
Dramatisches Ausmaß
Winde erschwerten in Mugla die Löscharbeiten. Wegen des gebirgigen und abschüssigen Geländes können Fahrzeuge das stark bewaldete Gebiet vom Land aus zudem schlecht erreichen. Löschflugzeuge und Helikopter warfen immer wieder Wasser ab.
In Russland nimmt die Waldbrandsituation immer dramatischere Ausmaße an. Im flächenmäßig größten Land der Erde meldeten die Behörden am Sonntag mehr als 240 Brände mit einer Gesamtfläche von rund 3,5 Millionen Hektar. Auf dem Großteil der Fläche wird nicht gelöscht, weil die Kosten hoch seien und es keine Gefahr für Menschen bestehe, teilte die für den Forstschutz zuständige Behörde Avialesoochrana mit. Vor allem betroffen war die sibirische Region Jakutien (Republik Sacha) im Nordosten des Landes. Dort galt wie in insgesamt acht Regionen der Ausnahmezustand. In Jakutien brannten in dem Dorf Bjass-Kjuel mehr als 30 Wohnhäuser ab. Die Menschen wurden in Sicherheit gebracht.
Russland
Das Feuer breitet sich wegen hoher Windgeschwindigkeiten rasend aus. Mehrere Ortschaften waren laut Behörden bedroht, darunter die Siedlung Sangar mit Öllagern. Auch in der Stadt Sarow mit dem nationalen atomaren Forschungszentrum wurde der Ausnahmezustand verhängt. Der Schritt sei notwendig, weil sich das Feuer im Gebiet von Nischni Nowgorod ausbreite und so zusätzliche Kräfte zur Löschung der Brände mobilisiert werden können, teilte die Verwaltung der abgeschirmten Stadt mit. Dort liegt Russlands Kernforschungszentrum.
Aussicht auf Entspannung gibt es in allen betroffenen Staaten vorerst nicht.