10. Juli 2014 | 13:18 Uhr
Kein Bewusstsein
Sind Naturkatastrophen Österreichern egal?
Die Schäden nach Hagel, Sturmböen, Hochwasser und Co. steigen, das Problem-Bewusstsein aber nicht.
Die Schäden durch Naturgewalten nehmen auch in Österreich weiter zu, das Vorsorge-Bewusstsein der Menschen hält damit aber nicht Schritt. Vor allem Wetter-Extreme werden in Europa häufiger, sagen Meteorologen und die Assekuranz. Doch selbst in Gefahrenzonen gibt es eine sehr hohe "Vergessenskurve". Erschwinglich wäre ein bundesweites Versicherungs-Obligatorium, zu dem die Politik Ja sagen müsste.
Immer öfter Hochwasser:
Speziell die mit Niederschlägen verbundenen Folgen werden immer gravierender. "Was früher ein 20-jähriges Ereignis war, wird künftig im Schnitt alle 10 Jahre auftreten", umriss der Direktor der Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik (ZAMG), Michael Staudinger, am Donnerstag vor Journalisten die bis 2050 absehbare Entwicklung. Zwar steige die Jahres-Niederschlagsmenge nur wenig, aber die Tages- und Stunden-Mengen würden stark zunehmen. Daraus können dann Vermurungen, Überschwemmungen bis hin zu Hochwasser oder - im Winter - Schneedruck auf Dächern drohen.
Hitzetage häufen sich:
Der Sturm sei primär in Nordeuropa ein Problem, und klinge nach Süden hin ab, "Österreich ist dabei in der Übergangszone", so Staudinger in einem Pressegespräch des Versicherungsverbandes (VVO). Die Hitzeperioden würden im langfristigen Mittel deutlich zunehmen, und je mehr Feuchtigkeit die Atmosphäre halten könne, umso intensiver werde der Regen. Bei südlicher Strömung kämen dann extreme Wassermengen mit den Wolken zu uns, 2013 sei die Oberflächentemperatur des gesamten Mittelmeeres erstmals über 26 Grad Celsius gestiegen. "Bestimmte Naturgefahren treten heute viel häufiger auf als früher", resümierte der ZAMG-Direktor: "Aber viele Schäden können durch Präventiv-Maßnahmen verhindert werden."
Über die "HORA"-Datenbank im Internet (Natural Hazard Overview & Risk Assessment Austria) kann für jede Adresse in Österreich das Gefährdungspotenzial für diverse Naturgewalten bis hin zu Erdbeben eruiert werden, sagte VVO-Vizepräsident Allianz-Österreich-Chef Wolfram Littich. Seinen Angaben zufolge sind in den vergangenen 30 Jahren die wetterbedingten Versicherungsschäden weltweit um das 15-fache angestiegen. Allerdings waren etwa im Vorjahr von den globalen Naturkatastrophen-Schäden von 140 Mrd. Dollar (103 Mrd. Euro) nur rund 38 Mrd. Dollar (28 Mrd. Euro), also etwa ein Viertel, auch tatsächlich versichert.
Es fehle an Versicherungen:
Viele Güter, etwa Eigenheime, sind derzeit aber nur zum Teil oder auch gar nicht versicherbar, betonte Littich. Deshalb sei man mit der Politik bezüglich eines landesweiten Obligatoriums in Gesprächen. Wenn man wolle, dass jeder für eine leistbare Prämie versichert sein könne, müsse man das Risiko dergestalt "sozialisieren", wie dies etwa auch die Schweiz oder Belgien gemacht hätten. Bei einer solchen Frage des Risikoausgleich sei "die Politik gefordert, wir haben die entsprechenden Konzepte vorgelegt", sagte der Vizepräsident des Versicherungsverbands.
Zur möglichen Prämienhöhe einer allgemeinen Naturkatastrophen-Versicherung, die zum Beispiel mit der Feuerversicherung eines Hauses verknüpft werden könnte, gibt es verschiedene Rechenmodelle. In der Branche geht man davon aus, dass sich bei einer bundesweiten Durchversicherung die jährlichen Kosten mit im Schnitt 60 Euro pro Eigenheim in Grenzen halten würden - das wären 5 Euro monatlich. Je nach individueller Risikolage des Versicherungsnehmers könnte die Jahresprämie zwischen 30 und 120 Euro "streuen", hat etwa die VAV vorgeschlagen. Für Mietwohnungen sollen möglicherweise sogar 1 bis 2 Euro Prämie pro Monat ausreichen.
Selbst Großereignisse wie das Hochwasser 2013 haben in Österreich kein nachhaltiges Umdenken der Bevölkerung bezüglich Sicherheits-und Präventionsverhalten bewirkt, wunderte sich im Pressegespräch der Direktor des Kuratorium für Verkehrssicherheit (KfV), Othmar Thann, der von einer "sehr hohen Vergessenskurve" sprach. Personen, die in einer Hochwasserrisikozone leben, fühlten sich auch heuer zu mehr als einem Viertel (28 Prozent) nicht gefährdet, voriges Jahr - vor dem Hochwasser - waren es 27 Prozent. Insgesamt würden 63 Prozent der Bevölkerung nicht glauben, dass sie einmal Opfer einer Naturkatastrophe werden könnten, so Thann. Selbst in durch Hagel oder Erdbeben hoch gefährdeten Gebieten fühlten sich die Menschen zum Teil nicht betroffen, ortet der KfV-Chef ein "großes Informationsdefizit in der Bevölkerung". Die "Schutzresistenten" würden oft keine Notwendigkeit sehen, durch individuelle Vorkehrungen die drohenden Schäden abzumildern oder ganz abzuwenden. Auch über Zivilschutz seien die Menschen schlecht informiert, nur 16 Prozent wüssten, was beim Alarm-Sirenenton zu tun sei.
Informationen über Hochwasser-Risikozonen und Gefährdungspotenziale durch andere Naturgewalten sind auf der HORA-Homepage abrufbar.