29. Juni 2022 | 06:09 Uhr
Gemeinde von der Außenwelt abgeschnitten
Unwetter fordert ein Todesopfer, zweiter Vermisster lebt
Ein Mann starb, zweiter Vermisster lebend geborgen - Bezirk Villach-Land betroffen - Arriach nicht erreichbar - Erster Fokus auf Straßeninfrastruktur
Treffen. Schwere Unwetter haben in der Nacht auf Mittwoch für Verwüstung im Großraum Villach gesorgt. In Treffen starb ein Mann bei einem Murenabgang. Bei dem Todesopfer handelte es sich laut Polizei um einen 82-jährigen Mann aus Treffen. Er wurde unmittelbar vor seinem Wohnhaus von einer Mure 300 Meter mitgerissen. Eine zweite Person galt zunächst als vermisst, wurde aber lebend gefunden, wie "Kleine Zeitung" berichtet. Der Autofahrer hatte sich selbst noch gegen vier Uhr früh bei der Landesalarm- und Warnzentrale gemeldet, dass er in Klamm zwischen den Muren eingeklemmt sei. Danach verlor sich seine Spur – aber inzwischen ist er lebend gefunden. Das bestätigte Bezirkshauptmann Bernd Riepan gegenüber "Kleine Zeitung": "Wir sind glücklich, dass der Mann lebend in Verditz gefunden wurde. Wer ihn entdeckt hat und wie er dort hin gekommen ist, ist noch unklar."
Die Gemeinde Arriach war von der Außenwelt abgeschnitten, alle Zufahrtsstraßen waren unpassierbar. Im Gegendtal standen Ortschaften unter Wasser, Straßen und Häuser waren vermurt. Zahlreiche Feuerwehren waren im Einsatz, außerdem das Bundesheer mit 100 Soldaten, Hubschraubern und schwerem Gerät.
Enorme Regenmengen hatten für die massiven Überschwemmungen gesorgt. In Treffen am Ossiacher See und in der Gemeinde Arriach war noch in der Nacht eine Zivilschutzwarnung ausgegeben worden. Die Bewohner wurden aufgefordert, in den Häusern zu bleiben. In der gesamten Region waren Straßen unpassierbar oder teilweise weggerissen. Einen Überblick über das genaue Ausmaß der Schäden zu erhalten sei schwierig, erklärte Bezirkshauptmann Bernd Riepan: "Wie viele Häuser betroffen sind, kann man wohl erst morgen oder überhaupt erst in den nächsten Tagen abschätzen. Was man allerdings schon jetzt sagen kann: Die Schäden sind enorm."
15 Menschen in vermurten Häusern eingeschlossen
Zehn bis 15 Menschen, die in ihren vermurten Häusern eingeschlossen waren, wurden am Vormittag mit Hubschraubern geborgen, sagte Riepan. Andere vom Unwetter Betroffene zogen es vor, in ihren Häusern zu bleiben, etwa wenn die oberen Stockwerke weiter bewohnbar waren. Wie viele Menschen in der Region durch die vermurten Straßen zuhause festsaßen, könne man nur schätzen, sagte der Bezirkshauptmann. Notquartiere brauche es derzeit nicht.
Ortschaften ohne intakte Wasserversorgung
Die Gemeinde Arriach, in die es keine intakten Straßen mehr gab, sei vorerst gut versorgt, sagte Riepan. Bis spätestens in ein, zwei Tagen müsse es gelingen, eine Behelfsstraße von Himmelberg aus zu errichten, um die Versorgung mit Wasser, Lebensmitteln und Medikamenten zu gewährleisten. Auch andernorts in der betroffenen Region waren Ortschaften ohne intakte Wasserversorgung. Der Fokus liege momentan darauf, die Hauptverkehrsverbindungen wieder befahrbar zu machen, um Trinkwasser zu den Menschen zu bringen, sagte der Bezirkshauptmann. Laut Energieversorger Kelag waren am Nachmittag noch rund 2.000 Kundenanlagen ohne Strom, betroffen waren unter anderem Arriach und das Gegendtal. Riepan sagte, dass man am Donnerstag Kelag-Monteure zu den Schadstellen im Netz fliegen werde.
Seit 4.00 Uhr stand das Rote Kreuz im Einsatz, sagte Rot-Kreuz-Sprecherin Melanie Reiter auf APA-Anfrage. Was den Einsatz aber enorm erschwert, sind die Vermurungen: "Ab dem Feuerwehrhaus Treffen kommt man nicht mehr weiter. Es kommt kein Fahrzeug durch, man braucht schweres Gerät." Neben der Katastrophenhilfsmannschaft ist das Rote Kreuz auch mit einem Kriseninterventionsteam im Gegendtal.
© APA/GERT EGGENBERGER
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Wettertechnisch war unterdessen keine Entspannung angesagt. Am Nachmittag zogen neue Gewitterzellen über das Bundesland.
117 Liter Niederschlag pro Quadratmeter
Ausgelöst worden waren Muren und Überflutungen durch heftigen Regen in der Nacht. Laut Wetteraufzeichnungen fiel allein in der Zeit von 2.00 bis 6.00 Uhr 117 Liter Niederschlag pro Quadratmeter - damit regnete es innerhalb von vier Stunden so viel wie ansonsten innerhalb von mehreren Wochen.
Seit Messbeginn der jeweiligen Wetterstation gab es laut ZAMG noch nie so große Regenmengen in so kurzer Zeit. In Villach wird seit dem Jahr 1930 gemessen, auf der Flattnitz seit 1971 und in Arriach seit 1990. Statistisch gesehen könne man von einem Ereignis sprechen, das ungefähr alle 100 Jahre zu erwarten ist, erklärte Hohenwarter. Der Wetterausblick für das betroffene Gebiet war vorerst nicht optimal: Bevor sich das Wetter am Donnerstag beruhigt, sind in Kärnten, der Steiermark und Teilen von Ober- und Niederösterreich noch weitere Regenschauer und Gewitter möglich.
Bereits am Dienstagabend hatten die Unwetter in Kärnten begonnen, in Villach, den Bezirken Villach-Land und Feldkirchen sowie rund um den Millstätter See und in Bad Kleinkirchheim rückten 70 Feuerwehren zu 150 Einsätzen aus. Besondere Probleme bereitete Sturm mit teilweise orkanartigen Böen. Bäume stürzten um und ganze Dächer wurden abgedeckt. Laut Polizei wurden auch Stromkabel gekappt. Wie zum Beispiel in Ferlach: Durch einen Blitzschlag stürzte eine 15 Meter hohe Linde auf eine Oberstromleitung. Durch die Zugkraft der niedergedrückten Stromleitung wurden die Dächer von zehn Gebäuden beschädigt, indem die Dach-Stromhalterungen ausrissen.
Zivilschutzalarm in Tamsweg aufgehoben
In Tamsweg (Lungau) ist am Mittwochvormittag Zivilschutzalarm ausgelöst worden. Der Leißnitzbach - ein kleinerer Bach im Ortszentrum - führte Hochwasser und drohte über die Ufer zu treten. Die Anrainer wurden aufgefordert, in den Häusern zu bleiben, Tiefgaragen und Keller nicht zu betreten und sich von den Ufern sowie Brücken fernzuhalten. Am frühen Nachmittag entspannte sich die Situation leicht, um 17.30 Uhr wurde der Zivilschutzalarm aufgehoben.
Die Einsatzkräfte nutzten am Nachmittag eine kurze Niederschlagspause, um mit Kränen Verklausungen zu lösen und Geröll aus dem Bachbett zu baggern. Außerdem wurden entlang der Ufer Dämme mit Sandsäcken errichtet. Im unteren Marktbereich gebe es viele Brücken, die die Gefahr von Verklausungen begünstigen würden, sagte Abschnittsfeuerwehrkommandant Harald Graggaber zur APA. "Wir beobachten die Situation ganz genau."
18 Schadstellen gemeldet
Alleine aus Tamsweg wurden 18 Schadstellen gemeldet, vier Wohngebäude standen teilweise noch unter Wasser. Im Recyclinghof wurden Problemstoffe so umgelagert, dass sie bei einer Überflutung keine Gefahr darstellen. Der Zivilschutzalarm für die Gemeinde blieb zumindest bis in den Abend hinein aufrecht. Die Gefahr für die angrenzenden Wohnhäuser oder Schaulustige sei noch nicht gebannt, betonte der Katastrophenschutzreferent der Bezirkshauptmannschaft Tamsweg, Christoph Wiedl. Die Menschen sollten nicht an den Bach gehen und zuhause bleiben, am besten im ersten Stock. Den Anweisungen der Behörden und Einsatzkräften vor Ort sei auf jeden Fall Folge zu leisten.
Schon seit Dienstagabend haben im Lungau Gewitter und starke Regenfälle für zahlreiche, zunächst kleinere Einsätze gesorgt. Bäche traten über die Ufer, es gingen mehrere Muren auf Straßen ab und es gab Verklausungen an Bächen. Vor allem die Freiwilligen Feuerwehren Ramingstein und Tamsweg waren mit Aufräum- und Pumparbeiten beschäftigt, auch in der Gemeinde Göriach wurde ein Murenabgang gemeldet, der in einem Hüttendorf 16 Personen von der Außenwelt abschnitt. "Es besteht telefonischer Kontakt und alle sind wohlauf. Es besteht aus derzeitiger Sicht keine unmittelbare Gefahr. Mit schwerem Gerät wird hier versucht, die Zufahrt wieder freizubekommen", teilte das Land Salzburg mit.
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Gewitter-Warnung in mehreren Bundesländern
Die erhöhte Unwetter-Warnung der ZAMG gilt vorerst bis um 22 Uhr:
© ZAMG
Zivilschutzalarm in Tamsweg aufgehoben
In Tamsweg (Lungau) ist am Mittwochvormittag Zivilschutzalarm ausgelöst worden. Der Leißnitzbach - ein kleinerer Bach im Ortszentrum - führte Hochwasser und drohte über die Ufer zu treten. Die Anrainer wurden aufgefordert, in den Häusern zu bleiben, Tiefgaragen und Keller nicht zu betreten und sich von den Ufern sowie Brücken fernzuhalten. Am frühen Nachmittag entspannte sich die Situation leicht, um 17.30 Uhr wurde der Zivilschutzalarm aufgehoben.
Diese Straßen sind derzeit in Kärnten gesperrt
Nach ersten Luft- und Ortserkundungen mit Geologen sowie Einsatzleitern aus Straßenbau und Agrartechnik hat sich heute Nachmittag gezeigt, wie stark die B98 Millstätter Straße und die L46 Teuchen Straße durch die nächtlichen Unwetter in Mitleidenschaft gezogen wurden, berichtet das Land Kärnten in einer Aussendung. "Unsere Mannschaften arbeiten gemeinsam mit dem Bundesheer daran, die Erreichbarkeit wieder herzustellen, das hat oberste Priorität. Aber die Schäden sind in einigen Bereichen so massiv, dass noch nicht klar ist, wann eine Befahrbarkeit wieder gegeben sein wird", informiert Straßenbaureferent Landesrat Martin Gruber nach einem Lokalaugenschein.
© Land Kärnten
Die B98 wurde auf einer Länge von rund 1 Kilometer im Bereich Innere Einöde unterspült. Hier wird derzeit versucht, die Straße zumindest halbseitig befahrbar zu machen, damit Einsatzorganisationen durchkommen. Auf rund 300 Meter Länge ist die Fahrbahn in diesem Bereich allerdings nach wie vor vom Afritzbach überflutet und kann daher nicht besichtigt werden. Nach einer ersten Einschätzung ist außerdem die Teuchen Straße auf einer Länge von circa 2 km verschüttet, wobei derzeit noch nicht abschätzbar ist, wie umfangreich die Schäden sind. "Leider ist davon auszugehen, dass sie in mehreren Bereichen unterspült und teilweise weggerissen wurde", so Gruber. So wie sich die Situation aktuell darstellt, existiert die Teuchen Straße ab der Kreuzung mit der B98 auf einer Länge von circa 600-700 Metern nicht mehr. Zusätzliche LKW wurden bereits aus nicht betroffenen Straßenmeistereien angefordert und sind in das Krisengebiet unterwegs, um bei der Herstellung der regionalen Erreichbarkeit über die Landesstraßen zu unterstützen.
Die B98 Millstätter Straße ist ab dem Kreisverkehr Annenheim B94/B98 weiterhin nur für Einsatzkräfte und von Radenthein kommend bis Verditz befahrbar. Weiterhin gesperrt sind: Die L38 Krastal Straße vom Drautal kommend ab der Afritzbachbrücke, die L46 Teuchen Straße im gesamten Gemeindegebiet Arriach und die L45a Buchholzer Straße.
Unwetterfront von Nord bis Süd
Derzeit befindet sich eine Gewitterfront, die sich von Norden bis in den Süden des Landes erstreckt, über Österreich:
© kachelmannwetter.com/at
Die Zugrichtung des Unwetters ist Norden und Nordosten.
Größte Niederschlagsmengen
Hier gab es laut ZAMG den meisten Niederschlag (Stand: 17.50 Uhr)
Arriach: 128.4 mm
Villach: 100.0 mm
St. Jakob im Def.: 53.9 mm
Aigen: 50.0 mm
Lienz: 49.7 mm
Sillian: 48.5 mm
Kornat: 48.0 mm
Hermagor: 47.9 mm
Irdning/Gumpenstein: 45.0 mm
Döllach: 43.7 mm
Gewitterzelle in Teilen Kärntens und der Steiermark
Hier befindet sich derzeit ein starkes Gewitter mit heftigem Starkregen, wie "kachelmannwetter" berichtet:
© kachelmannwetter.com/at
In dieser Region besteht derzeit extreme Überflutungsgefahr durch Dauerregen.
© kachelmannwetter.com/at
Ein Vermisster in Kärnten tot
Schwere Unwetter haben in der Nacht auf Mittwoch für Verwüstung im Großraum Villach gesorgt. In Treffen starb ein Mann bei einem Murenabgang. Eine zweite Person galt als vermisst. Die Gemeinde Arriach war von der Außenwelt abgeschnitten, alle Zufahrtsstraßen waren unpassierbar. Im Gegendtal standen Ortschaften unter Wasser, Straßen und Häuser waren vermurt. Zahlreiche Feuerwehren waren im Einsatz, außerdem das Bundesheer mit 100 Soldaten, Hubschraubern und schwerem Gerät.
Alle Straßen nach Arriach in Kärnten unpassierbar
Die Kärntner Gemeinde Arriach ist nach den schweren Unwettern in der Nacht auf Dienstag von der Außenwelt abgeschnitten. Bürgermeister Gerald Ebner (FPÖ) sagte am Mittwochvormittag gegenüber der APA: "Alle Verbindungsstraßen sind weggeschwemmt." In der Gemeinde herrscht Zivilschutzalarm, gearbeitet wird im Notbetrieb. "Wir versuchen, die Lage irgendwie in den Griff zu bekommen. Aktuell warten wir auf schweres Gerät des Bundesheeres, das wir dringendst benötigen."
Auch innerhalb der Gemeinde sind Verkehrswege unpassierbar. Ebner: "Einige Höfe sind derzeit nicht einmal zu Fuß erreichbar." Hauptsächlich Feuerwehrleute versuchen nun, mit den abgeschnittenen Haushalten Kontakt aufzunehmen. Bisher habe er keine Berichte über Vermisste in seiner Gemeinde, sagte Ebner.
Wie lange es noch dauern wird, bis das Bundesheer nach Arriach vordringen kann, war zunächst unklar, wie Sprecher Christoph Hofmeister sagte. "Wir kämpfen uns durch." 100 Soldaten der Villacher Pioniere seien derzeit im Einsatz. "Schritt für Schritt" versuche man, die Straße ins Gegendtal frei zu bekommen. Schweres Gerät ist im Einsatz, Schaufler und Soldaten mit Motorsägen, um die umgestürzten, in einander verkeilten Bäume zu beseitigen.
Zivilschutzalarm in Tamsweg
Nun wurde auch in Tamsweg (Salzburg) der Zivilschutzalarm ausgerufen.
Schwere Unwetter in Kärnten - Zwei Personen vermisst
Schwere Unwetter haben in der Nacht auf Mittwoch ganze Ortschaften im Bezirk Villach-Land verwüstet. Bäche im Gegendtal traten über die Ufer, Muren gingen ab und verschütteten die Häuser teils bis zum ersten Stock. Zwei Personen galten am Vormittag als vermisst, bestätigte Bezirkshauptmann Bernd Riepan.
Video zeigt starke Überschwemmungen nahe Villach
Aktuelles Video vom Unwetter in Kärnten.
— Esterreicherr (@Esterreicherr) June 29, 2022
Aufnahme: Vormittag 29.06.2022 Krastal/nahe Villach#Unwetter #Kärnten #Villach pic.twitter.com/EQZ9V0a9n8
Helikopter Video zeigt Ausmaß der Zerstörung
Gewaltige Regenmengen in Wien
Seit Messbeginn der jeweiligen Wetterstation gab es laut ZAMG noch nie so große Regenmengen in so kurzer Zeit. In Villach wird seit dem Jahr 1930 gemessen, auf der Flattnitz seit 1971 und in Arriach seit 1990. Statistisch gesehen könne man von einem Ereignis sprechen, das ungefähr alle 100 Jahre zu erwarten ist, erklärte Hohenwarter. Der Wetterausblick für das betroffene Gebiet war vorerst nicht optimal: Bevor sich das Wetter am Donnerstag beruhigt, sind in Kärnten, der Steiermark und Teilen von Ober- und Niederösterreich noch weitere Regenschauer und Gewitter möglich.
Mehrere Regionen in Kärnten von Außenwelt abgeschnitten
Einige Regionen wie Arriach und Einöde bei Villach waren laut Angaben des ORF von der Außenwelt abgeschnitten und nicht durch die Einsatzkräfte erreichbar. Für die Region wurde der Zivilschutzalarm ausgerufen.
© facebook/Unwetter-Freaks