09. Juli 2012 | 23:41 Uhr
Feuerwehr-Dauereinsatz
Österreich sucht die Unwetter-Helden
Heuer bereits 107.000 Blitze - Mehr als 20 Millionen Euro Hagel-Schäden.
14 Menschen, die aus einem unter Wasser stehenden Campingplatz in Pfarrwerfen (Salzburg) gerettet werden müssen. Tennisballgroße Hagelkörner, die Autoscheiben zerschlagen, im Tiroler Unterland. Abgedeckte Dächer, überflutete Keller und umgeknickte Bäume in Deutsch-Wagram (NÖ). Sonntagabend haben schwere Gewitter mit Starkregen, Hagel und Sturm einen Großteil des Landes heimgesucht. Wieder einmal. Die Feuerwehr stand mit Hunderten Kräften im Einsatz.
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Klimatologin: „Gewitter-Häufigkeit ungewöhnlich“
Es ist ein Bild, an das wir uns im Sommer 2012 gewöhnen müssen. Klimaforscherin Helga Kromp-Kolb warnt: „Es wird ein Sommer der Extreme.“ Hildegard Kaufmann, Klimatologin an der Zentralanstalt für Meteorologie, sagt zu ÖSTERREICH: „Diese Häufigkeit von Unwettern ist wirklich ungewöhnlich.“
Zwischenbilanz: Mehr als 20 Mio. Euro Hagelschäden
Laut ZAMG sind heuer die Steiermark (Liezen, Voitsberg), Salzburg (Hallein), NÖ und OÖ die Gewitter-Hotspots. Das österreichische Blitzortungssystem „Aldis“ zählte heuer bereits 106.889 Blitze – mehr als 2011 (61.673) oder 2010 (68.849), aber weniger als 2009 (133.633 ). Alleine am 3. Juli wurden 22.000 Blitze in 12 Stunden registriert. Die größten Tagesniederschlagsmengen zählte die ZAMG bisher am Hirschenkogel (Stmk., 105,8 mm), in Präbichl (Stmk., 92,1) und in Karlwang (Stmk., 85). Die Österreichische Hagelversicherung notierte bisher mehr als 20 Mio. Euro Hagelschäden in der Landwirtschaft. Nur am Sonntag haben Landwirte alleine in Tirol und NÖ Schäden von 3,4 Mio. Euro angezeigt.
Feuerwehr-Männer als Helden des Sommers
Wenig Schlaf, Leistungsdruck, Helfen jederzeit und überall: Österreichs Feuerwehrmänner sind heuer – wieder einmal – die Helden des Sommers.
„Heftigste Gewitter des Sommers.“ Der Tiroler Feuerwehrkommandant Josef Koidl aus Wörgl (52) ist einer von ihnen – am Sonntag leitete er den Einsatz seiner 109 Mann starken Truppe. Er erlebte, wie tennisballgroße Hagelkörner die Sommeridylle beendeten. „Es war das bisher heftigste Gewitter, so etwas hatten wir lange nicht“, sagt er.
Gernot Pichler (44) von der Feuerwehr Werfen in Salzburg war beim Einsatz am überfluteten Campingplatz in Pfarrwerfen dabei. „Der Kanal war nicht mehr dicht, aufgrund der Wassermengen mussten wir mehr als ein Dutzend Zelte evakuieren lassen“, sagt er zu ÖSTERREICH.
Für Pichler, nebenbei noch Bergretter, ist klar: „So ein Ereignis passiert vielleicht alle drei Jahre einmal, in seiner Heftigkeit war das besonders.“ Pichler bekam vorige Nacht gerade vier Stunden Schlaf, trotzdem sagt er: „Man spürt, dass man gebraucht wird.“
„Schlimmer als früher.“ Alois Wengler (59), der Bezirksfeuerwehr-Kommandant von Braunau (OÖ), ist Chef von 7.000 Mann. Vor drei Wochen, als die Gemeinde Polling überflutet wurde, saß er im Einsatzstab. „Es ist schlimmer als früher, die Folgen der Unwetter sind viel extremer“, sagt Wengler.
Aber: „Durch das Kameradschaftsgefühl übersteht man auch solche Situationen.“
Unwetter-Gefahr entlang Jet Stream
2012 – das Jahr der Unwetter. Schuld ist eine seltene Kursänderung eines Windes. Der Jet Stream bringt uns die vielen Stürme.
Explosive Mischung
Die Häufung der heftigen Unwetter der letzten Wochen mit den tragischen Schäden sind kein Zufall.
Einen großen Teil der Schuld trägt der Jet Stream – ein Windstrom mit bis zu 200 km/h, der vom Atlantik nach Europa bläst
Der Jet Stream bläst in 12 Kilometern Höhe immer an der Grenze zwischen warmer Luft (derzeit vom Mittelmeer) und kalter (kommt vom Norden). Genau entlang dieser Linie entsteht das explosive Gemisch, das uns die Unwetter bringt.
Strom änderte den Kurs und weht plötzlich zu uns
Normalerweise ist dieser Luftstrom ungefährlich für uns. Er weht nördlich von Großbritannien vorbei und hat wenig Auswirkung auf unser Wetter. Doch heuer änderte der „Strahlstrom“ seinen Kurs, weht viel weiter südlich – über Frankreich zieht er bis zu uns.