21. November 2016 | 11:24 Uhr

photo2.jpg © mediomix / MPI für terrestrische Mikrobiologie

Forschung

Künstliche Photosynthese gegen Klimawandel

Kohlendioxid könnte sich künftig mit einem neuen Mittel aus der Atmosphäre entfernen lassen.

Neue Hoffnung im Kampf gegen den Klimawandel verspricht eine Entwicklung des Max-Planck-Instituts in Marburg. Die Forscher haben nach dem Vorbild der Photosynthese einen künstlichen, aber komplett biologischen Stoffwechselweg entwickelt, der Kohlendioxid aus der Luft mit 20 Prozent höherer Effizienz bindet, als das Pflanzen schaffen.

Pflanzen fixieren über die Photosynthese Kohlendioxid aus der Luft. Aus dem CO2 produzieren sie über einen schrittweisen Prozess, den sogenannten Calvin-Zyklus, Zucker für ihre Ernährung. Jeder einzelne biochemische Schritt hin zum Zucker wird von einem eigenen Enzym angestoßen beziehungsweise beschleunigt. Die verschiedenen Biokatalysatoren sind dabei genau aufeinander abgestimmt, damit sie zusammenarbeiten können. Doch es gibt ein Problem: Das CO2-bindende Enzym des Calvin-Zyklus in Pflanzen, in Fachkreisen RuBisCo genannt, ist vergleichsweise langsam. Außerdem irrt es sich häufig: Bei jeder fünften Reaktion schnappt sich RuBisCo statt eines CO2- ein Sauerstoffmolekül.

„Da gibt es in der Natur CO2-fixierende Enzyme ganz anderer Qualität“, erklärt Tobias Erb, Leiter einer Forschungsgruppe für terrestrische Mikrobiologie am Max-Planck-Institut. Solche Enzyme, die schneller und effizienter sind als die RuBisCo in Pflanzen, arbeiten natürlicherweise im Stoffwechsel von Mikroorganismen.

Turbo-Enzym
Eines dieser Enzyme, mit dem unaussprechlichen Namen „Crotonyl-CoA Carboxylase/Reductase“, hat Erb selbst aus einem Bakterium isoliert. Dieses Enzym irrt sich so gut wie nie – und arbeitet zudem gewissermaßen mit einem Turbo, denn es funktioniert zwanzigmal schneller als sein Gegenstück aus der Pflanzenwelt. Mit Hilfe weiterer Enzyme designte Erbs Team in nur zwei Jahren in einem Reagenzglas einen„robust funktionierenden, optimierten Zyklus“.

Am Ende stand ein künstlicher CO2-fixierender Zyklus – etwas, das in dieser Art nach Erbs Wissen „noch niemand geschafft haben dürfte.“ Beteiligt sind 17 verschiedene Enzyme, darunter drei „Designer-Enzyme“, aus neun verschiedenen Organismen bis hin zum Menschen. Unterm Strich bindet der CETCH-Zyklus, mit dem die Marburger Forscher die Dunkelreaktion der Photosynthese nachahmen, CO2 mit 20 Prozent höherer Effizienz als der Calvin-Zyklus der Pflanzen.

Erbs Modell-Zyklus zieht seine Energie derzeit aus einer chemischen Reaktion und nicht aus Licht wie bei der Photosynthese der Pflanzen, und am Ende kommt dabei die sogennante Glyoxalsäure  heraus. „Der CETCH-Zyklus“, sagt der Marburger, „kann aber so verändert werden, dass dabei zum Beispiel Rohstoffe für Biodiesel entstehen.“ Oder ein Antibiotikum oder viele andere Substanzen.

Anwendung in Bakterien oder Algen
Für die praktische Anwendung könnten die nötigen Gene für den Zyklus in ein Bakterium oder eine Alge verfrachtet werden. Diese veränderten Mikroorganismen würden dann das jeweils gewünschte Produkt herstellen – und könnten dazu einfach das CO2 aus der Atmosphäre verwenden.

"Unsere Wissenschaft zielt darauf ab, die Umwandlung von unbelebtem CO2 in organische Materie neu zu erfinden. Unser Traum ist es, mithilfe von maßgeschneiderten Enzymen einen synthetischen Metabolismus 2.0 zu erschaffen, der jede beliebige Verbindung aus CO2 herstellen kann“, meint Erb.