04. Mai 2017 | 09:03 Uhr

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Klimawandel

So erklären Forscher die Pause der Erderwärmung

In den 15 Jahren bis 2012 stiegen die Temperaturen je nach Messreihe gar nicht oder kaum an - warum?

Die scheinbare Unterbrechung des Klimawandels von 1998 bis 2012 ist nicht auf falsche Klimamodelle oder mangelhaftes Verständnis des Klimas zurückzuführen. Dies sei vielmehr eine Folge davon, dass in den Modellen unterschiedliche Daten oder Zeiträume betrachtet wurden. Dies berichten Forscher um Iselin Medhaug von der Eidgenössischen Technischen Hochschule (ETH) Zürich im Fachmagazin "Nature".

In den 15 Jahren bis 2012 stiegen die Temperaturen an der Erdoberfläche je nach Messreihe gar nicht oder kaum an. Manche Politiker, aber auch Wissenschafter deuteten dies als ein Versagen der Klimamodelle - das Ausmaß des Klimawandels sei überschätzt worden. Einige leugneten sogar, dass es einen Klimawandel überhaupt gebe - oder zumindest, dass er vom Menschen verursacht worden sei. Dem steht allerdings der Trend der vergangenen drei Jahre entgegen: 2016 war das dritte Jahr in Folge, das den globalen Temperaturrekord seit Beginn der Aufzeichnungen 1880 gebrochen hat.

Dennoch wollten die Schweizer Forscher wissen, wie es zu der scheinbaren Pause im Klimawandel kam und warum die globale Erwärmung in dem Zeitraum nicht wie von Klimamodellen vorhergesagt gestiegen ist. Dazu sahen sie sich an, wie in Studien diese Unterbrechung definiert wurde. Eine Definition besagt zum Beispiel, dass die durchschnittliche weltweite Lufttemperatur an der Oberfläche gesunken, nicht oder nur sehr leicht gestiegen ist. Dies treffe zwar auf kürzere Zeitabschnitte zu, aber nicht auf längere, schreiben die Forscher.

In längeren betrachteten Perioden keine Unterbrechung
In einem Nature-Kommentar beziffern James Risbey von der nationalen australischen Wissenschaftsorganisation CSIRO in Hobart (Tasmanien, Australien) und Stephan Lewandowsky von der University of Western Australia in Crawley den entscheidenden Zeitabschnitt auf 16 Jahre. In allen längeren betrachteten Perioden sei keine Unterbrechung erkennbar.

Auch die Aussage, dass die Vorhersagen der Klimamodelle und die gemessenen Temperaturen weit auseinanderliegen, können Medhaug und Kollegen entkräften. So würden bei der Aufbereitung der Messdaten die Lufttemperaturen und die Oberflächentemperaturen der Ozeane zusammengenommen, während die Modelle in der Regel nur die Lufttemperaturen berücksichtigten. Auch würden Klimafaktoren wie Feinstaub aus Vulkanausbrüchen oder die Sonnenaktivität meist nicht einkalkuliert. Ein weiteres Problem war bei älteren Modellen eine relativ geringe Abdeckung mancher Weltregionen durch Messreihen.

"Wenn die Effekte kurzzeitiger Temperaturschwankungen, wie der El Nino Southern Oscillation, vulkanischer Aerosole und Sonnenvariabilität herausgenommen werden, ist das von Menschen erzeugte Signal globaler Erwärmung nicht wesentlich zurückgegangen", lautet das Fazit der Forscher. 1997/1998 war das Klimaphänomen "El Nino" an der südamerikanischen Pazifikküste besonders ausgeprägt und hatte zu den weltweiten Temperaturrekorden 1998 beigetragen. Dass dem keine weiteren Rekorde folgten, sei vor allem mit den natürlichen Klimaschwankungen erklärbar.

Problematische Methoden
Auch Risbey und Lewandowsky folgern in ihrem Kommentar: "Einige Daten, Tools und Methoden, die bei der Betrachtung eines längerfristigen Klimawandels gut genug waren, erwiesen sich als problematisch, als sie auf das Problem der kurzfristigen Trends angewendet wurden." Wie real der Klimawandel ist, zeigen Veröffentlichungen der Weltwetterorganisation (WMO) in Genf im März über Temperaturrekorde in der Arktis: Auf dem Höhepunkt des Winters und der eigentlichen Gefrierperiode habe es Tage mit Temperaturen fast am Schmelzpunkt gegeben.

Spätestens mit den globalen Temperaturrekorden von 2014, 2015 und 2016 ist die Diskussion um die Erwärmungspause abgeflaut. Jetzt, wo die wissenschaftlichen Erklärungen auf dem Tisch lägen, sei das öffentliche Interesse verschwunden, kommentiert Medhaug. Die Medien und die Öffentlichkeit verlangten oft nach schnellen Erklärungen, der wissenschaftliche Prozess, um ein Verständnis für Naturphänomene zu entwickeln, brauche jedoch Zeit.

Die Erwärmungspause habe sich als "Sturm im Wasserglas" entpuppt, schließt die Forscherin. Die Definition wandelte sich von "keine Erwärmung", zu "signifikant langsamere Erwärmung" oder einer "geringeren Erwärmung, als von Modellen vorhergesagt". Selbst für eine solch abgemilderte "Pause" gebe es nur noch wenig wissenschaftliche Beweise.