24. Mai 2017 | 10:32 Uhr
Urin im Becken
Chlor-Geruch im Schwimmbad? Dann ist was faul
Chlor ist geruchlos und ergibt erst zusammen mit Harnstoff den Schwimmbadgeruch.
Wenn es im Schwimmbad stark nach Chlor riecht, ist es dort besonders sauber? Falsch. Im Gegenteil. Die Chemikalie, die im Badewasser Keime abtötet, ist geruchlos. Erst zusammen mit einer anderen Substanz entsteht das typische Odeur.
"Wenn es stark nach Chlor riecht, heißt das, dass viel Harnstoff ins Wasser eingetragen wurde", sagt Alexander Kämpfe, Fachgebietsleiter für Schwimm- und Badebeckenwasser beim deutschen Umweltbundesamt (UBA). Chlor geht schnell Verbindungen mit anderen Stoffen ein. Aus dem geruchlosen "freien" Chlor und dem ebenfalls geruchlosen Harnstoff wird "gebundenes" Chlor: zum Beispiel Trichloramin, das sehr stark riecht. Je mehr Harnstoff, desto mehr Trichloramin, desto mehr Schwimmbadgeruch.
Chlor dient dazu, Krankheitserreger abzutöten. Standard sind zwischen 0,3 und 0,6 Milligramm pro Liter Wasser. Die richtige Dosis sei abhängig von einer ganzen Reihe von Faktoren, erklärt Jörg Rosbach von den Frankfurter Bäder-Betrieben. Wie ist die Wasserqualität? Wie viele Schwimmer sind im Wasser? Wie leistungsfähig ist die Aufbereitungsanlage? Scheint die Sonne? Chlor baut sich unter UV-Strahlung leichter ab.
Urin im Becken
Ein großer Teil des Harnstoffs im Badewasser stammt vom Urin: von Kleinkindern, inkontinenten Älteren oder Schwimmern, die zu faul sind, zur Toilette zu gehen. Ein paar Tropfen verliere auch jede gesunde Blase, erklärt Rosbach. Weiterer Harnstoff kommt von der Körperoberfläche: Er ist ein Hautbestandteil - und wird beim Schwimmen ausgewaschen.
"Einmal ins Becken pinkeln trägt etwa sechs Gramm Harnstoff ins Becken ein", erklärt Kämpfe. "Das entspricht der Menge von fast 40 Badenden, die den Harnstoff nur über die Haut eintragen." Das Umweltbundesamt hat es ausgerechnet: Pro Badegast gelangen durchschnittlich 0,16 Gramm Harnstoff ins Wasser.
Wie reduziert man die Belastung? Die wichtigste Regel - außer zur Toilette zu gehen - lautet: vor dem Schwimmen duschen. "Gründliches Duschen entfernt 75 bis 97 Prozent des Harnstoffs", informiert das Umweltbundesamt in einem Infoblatt für Schwimmbäder.
Darum müssen die Badbetreiber weiterhin das wieder rausholen, was die Badenden eintragen. Forscher aus Kanada haben errechnet, dass in einem 400.000-Liter-Becken 26,5 Liter Urin enthalten sind. Das entspräche einem halben Kübel in einem zwei Meter tiefen Pool von zehn mal 20 Metern.
Atembeschwerden
Ist die stinkende Chlor-Harn-Kombi denn nur eklig - oder auch schädlich? "Das kommt auf die Konzentration an und darauf, wie empfindlich man ist", sagt Hermann Josef Kahl, Sprecher des deutschen Bundesverbands der Kinder- und Jugendärzte. Trichloramin könne Atembeschwerden hervorrufen - das kann für Asthmatiker gefährlich sein. Es reize die Augen sowie die Schleimhäute in Nase und Rachen.
"Chlor ist in Ordnung", betont der Kinderarzt aber, "ohne Chlor wären die Gefahren größer". Gegen rote Augen helfe eine Schwimmbrille und Schleimhaut-Reizungen gingen in der Regel wieder weg. Bäder-Techniker Rosbach würde "bedenkenlos überall baden": Die Aufbereitungsanlagen seien heute sehr leistungsfähig. Und ob ein Bad seinen Wasserreinigungspflichten nachkomme, könne der Gast ja ganz leicht erkennen: "Wenn Sie das Schwimmbad schon im Eingang riechen, dann ist was faul."